Rz. 21

Zwar entfaltet das Verlöbnis nicht die Wirkungen einer Ehe, aber es entsteht mit dem Eheversprechen ein familienrechtliches Gemeinschaftsverhältnis, aus dem die nachfolgend aufgezählten Rechte und Pflichten erwachsen.

I. Familienrechtliche Folgen

 

Rz. 22

Der Wortlaut des § 1297 Abs. 1 BGB gibt Aufschluss darüber, dass zwar nicht auf Eingehung der Ehe geklagt werden kann. Aber im Umkehrschluss können die Beteiligten mit Abschluss eines Verlöbnisses davon ausgehen, dass es zur Eheschließung kommen wird. Deshalb entsteht mit rechtswirksamem Verlöbnis ein familienrechtliches Gemeinschaftsverhältnis.[33] Das Verlöbnis ist beispielsweise vor einem unberechtigten Eingriff durch Dritte geschützt. Kommt es aufgrund einer durch einen Dritten schuldhaften Verzögerung des Eheschließungstermins unter Umständen zu Vermögensnachteilen, können diese im Wege des Schadensersatzanspruchs gegenüber dem Dritten etwa über § 839 BGB geltend gemacht werden.[34]

 

Rz. 23

Fraglich ist, wie weit dieses Gemeinschaftsverhältnis geht. Sicherlich entstehen Garantenpflichten. Nicht hingegen entstehen aber gegenseitige Unterhaltspflichten zwischen den Verlobten. Auch nicht aus einer sittlichen Verpflichtung heraus. Das Verlöbnis kann im Gegensatz zu einer Ehe oder gar einem Verwandtschaftsverhältnis jederzeit durch einseitige formlose Rücktrittserklärung und ohne Angabe von Gründen beendet werden.[35] Es begründet deshalb auch keine Lebens- oder Wirtschaftsgemeinschaft, ebenso wenig eine Rechtsgrundlage für Dienstleistungen.[36] Unsere Werteordnung schützt das Recht, frei und unabhängig darüber zu entscheiden, ob und mit wem man die Ehe eingeht.[37] Das ändert sich auch nicht durch eine unter Umständen über Jahre dauernde Verlöbniszeit. Selbst bei zunehmender Dauer, verfestigt sich die Gemeinschaft nicht so, dass auf Eheschließung geklagt werden könnte oder an einen Rücktritt erhöhte Anforderungen gestellt werden.[38] Deswegen haben auch Zuwendungen unter Verlobten beim Zuwendenden eine Vermögenseinbuße zur Folge, die nicht in einer rechtlich gesicherten Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft ausgeglichen wird.[39]

 

Rz. 24

Die familienrechtlichen Folgen der Beistandspflicht dürften sich deshalb in den Schadensersatz- und Rückgabeansprüchen nach Beendigung des Verlöbnisses erschöpfen. Außerdem können die Verlobten trotz der fehlenden Eheschließung bereits einen Ehevertrag im Sinne des § 1408 BGB schließen, der dazu bestimmt sein kann, die sich aus dem Gesetz ergebenden familienrechtlichen Folgen der bevorstehenden Eheschließung abzuändern oder auszuschließen.[40] Wirksam wird dieser Ehevertrag allerdings erst mit Eheschließung.[41]

 

Rz. 25

 

Hinweis

Das Verlöbnis hat das Entstehen eines familienrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses zur Folge, das sich aber nur im Hinblick auf die bei Auflösung entstehenden Schadenersatz- und Rückgabeansprüche konkretisiert.
Durch das Verlöbnis entsteht eine gegenseitige Beistandspflicht zwischen den Verlobten, die aber keine Unterhaltsansprüche begründet.
[33] FAKomm-FamR/Weinreich, § 1297 BGB Rn 11.
[34] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.2.2007 – I-24 U 133/06, FamRZ 2007, 1982.
[35] OVG NRW, Beschl. v. 9.1.2012 – 1 A 526/10, justiz-online.
[36] BFH, Urt. v. 22.4.1998 – X R 163/94, JurionRS 1998, 12068, NZM 1999, 922.
[37] OLG Hamm, Urt. v. 13.1.2011 – I-18 U 88/10, openJur 2011, NJW-RR 2011, 1197.
[38] OVG NRW, Beschl. v. 9.1.2012 – 1 A 526/10, justiz-online.
[39] BFH, Urt. v. 17.1.1985 – IV R 149/84, JurionRS 1985, 15331.
[40] FAKomm-FamR/Henjes, § 1408 BGB Rn 1.
[41] Rauscher, Familienrecht, § 6 Rn 113.

II. Erbrechtliche Folgen

 

Rz. 26

Selbst wenn ein wirksames Verlöbnis vorliegt, gibt es ein gesetzliches Erbrecht der Verlobten untereinander nicht.[42] § 1931 BGB regelt ausdrücklich nur das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten. Das wiederum setzt eine wirksame Ehe voraus.[43] Verstirbt ein Verlobter, dann werden gesetzliche Erben dessen Verwandte gemäß §§ 1922 ff. BGB. Der Partner des Verlöbnisses kann nur erben, sofern er im Rahmen einer letztwilligen Verfügung von dem Verstorbenen bedacht worden ist. Hierfür gelten Sonderregeln.[44]

[42] FAKomm-FamR/Weinreich, § 1297 BGB Rn 12.
[43] PWW/Zimmer, § 1931 BGB Rn 4.
[44] Rauscher, Familienrecht, § 6 Rn 113.

1. Letztwillige Verfügung

 

Rz. 27

Obwohl es den Verlobten gemäß dem Wortlaut des § 2265 BGB verwehrt ist, ein gemeinschaftliches Testament zu errichten, steht es ihnen natürlich frei, sich im Wege der letztwilligen Verfügung (Testament) gegenseitig zu bedenken. Insofern gelten die Vorschriften der §§ 2064 ff. BGB.

 

Rz. 28

Wurde das Verlöbnis vor dem Tode des Erblassers aufgelöst, ist die letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Verlobten bedacht hat, unwirksam, § 2077 Abs. 2 BGB. Das Gesetz geht davon aus, dass die letztwillige Verfügung durch das Verlöbnis bedingt ist.[45] Hat einer der Verlobten ein Testament zugunsten des anderen errichtet, endet das Verlöbnis aber, und stirbt kurz danach der Ersteller des Testaments, dann entfaltet das Testament keine Wirkung.

 

Rz. 29

Diese gesetzliche Vermutung kann widerlegt werden. Das gilt allerdings d...

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