Rz. 75
Was passiert nach Beendigung des Verlöbnisses? Meistens wurden in das Vertrauen auf die bevorstehende Eheschließung nicht nur emotionale, sondern auch finanzielle Aufwendungen investiert. Welche Ansprüche gibt es nach Beendigung des Verlöbnisses.
I. Anspruch auf Eheschließung
Rz. 76
Aus dem Wortlaut des § 1297 Abs. 1 BGB ergibt sich zunächst, dass die Verlobten gegeneinander einen Anspruch auf Eingehung der Ehe haben. Doch bereits die Formulierung des Gesetzestextes stellt klar, dass dieser Anspruch nicht einklagbar ist. Das bedeutet, dass ein Antrag, den anderen zu verpflichten, die Ehe einzugehen, bereits unzulässig ist. Und selbst wenn dem zum Trotz eine Entscheidung dieses Inhalts ergehen würde, wäre die Entscheidung nicht vollstreckbar (§§ 888 Abs. 3, 894 Abs. 2 ZPO), also nicht durchsetzbar – und damit wertlos. Die Eheschließungsfreiheit ist grundgesetzlich geschützt und das Recht, frei und unabhängig von äußeren und familiären Einflüssen darüber zu entscheiden, ob eine Ehe eingegangen werden soll, ist nach unserer Werteordnung von tragender Bedeutung.
Rz. 77
Ein ausländisches Urteil, in dem der Verlobte zur Eheschließung verurteilt wird, wird in der deutschen Rechtsordnung nicht anerkannt, § 109 Abs. Nr. 4 FamFG. Denn es ist mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts und der Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar. Es läge ein Verstoß gegen das Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG vor. Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistet die Freiheit gewährleistet, die Ehe mit einem selbst gewählten Partner einzugehen.
Rz. 78
Hinweis
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Zwar besteht von Gesetzes wegen ein Anspruch auf Eingehung der Ehe. Dieser Anspruch ist aber nicht durchsetzbar. |
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Ein ausländisches Urteil, in dem ein Verlobter zur Eheschließung verurteilt wird, wird vor deutschen Gerichten nicht anerkannt. |
II. Schadenersatzanspruch, §§ 1298, 1299 BGB
Rz. 79
Tritt ein Verlobter einseitig von einem wirksam zustande gekommenen Verlöbnis zurück, entstehen verschiedene Schadenersatzansprüche, die in § 1298 BGB und § 1299 BGB geregelt sind. Anspruchsinhaber können entweder der zurückgetretene Verlobte sein, der der andere Verlobte oder aber Dritte. Die Ansprüche der jeweils Berechtigten unterscheiden sich zum Teil in Art und Umfang. Allen Ansprüchen gemeinsam ist, dass ein rechtswirksamer Rücktritt vom Verlöbnis durch einen der beiden Verlobten vorliegen muss. Der Zurücktretende hat dem Verlobten den Schaden zu ersetzen, den dieser dadurch erleidet, dass er in Erwartung der Ehe sein Vermögen oder seine Erwerbsstellung berührende, den Umständen nach angemessene Maßnahmen getroffen hat, es sei denn, es liegt ein wichtiger Grund für den Rücktritt vor.
1. Ansprüche des "schuldlosen" Verlobten
Rz. 80
§ 1298 Abs. 1 BGB gewährt dem Verlobten, der nicht vom Verlöbnis zurückgetreten ist, zwei unterschiedliche Schadenersatzansprüche. Die Ansprüche zielen auf Ersatz des negativen Interesses. Der Verlobte soll so gestellt werden, wie er stünde, hätte er dem Eheversprechen nicht vertraut und die entsprechende Maßnahme nicht getroffen.
a) Anspruch nach § 1298 Abs. 1 S. 1 BGB
Rz. 81
Gemäß § 1298 Abs. 1 S. 1 BGB hat der Zurückgetretene dem Verlobten den Schaden zu ersetzen, der daraus entstanden ist, dass er in Erwartung der Ehe Aufwendungen gemacht hat oder Verbindlichkeiten eingegangen ist. Anspruchsinhaber ist danach der Verlobte, der nicht von dem Verlöbnis zurückgetreten ist, aber Aufwendungen getätigt hat und/oder Verbindlichkeiten eingegangen ist, da er die Erwartung hatte, mit dem anderen, zurückgetretenen Verlobten die Ehe zu schließen.
Rz. 82
Aufwendungen sind freiwillige Vermögensopfer, die in Erwartung der Ehe erbracht wurden. Hierzu gehören beispielsweise Anschaffungen für einen künftig gemeinsam geführten Haushalt, Kauf eines Brautkleides oder aber Umzugskosten, die angefallen sind, um gemeinsam in einer Wohnung zu leben. Auch die Inanspruchnahme unbezahlten Urlaubs wäre ein in Erwartung der Ehe freiwillig erbrachtes Vermögensopfer. In Betracht kommen aber auch Dienste, soweit sie der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Leistenden zuzuordnen sind, also zum Beispiel Handwerksarbeiten an dem im Eigentum des Verlobten stehenden Hauses.
Rz. 83
Verbindlichkeiten mit einem Dritten im Sinne des § 1298 BGB sind solche, die im Hinblick auf eine Eheschließung eingegangen wurden. Das kann beispielsweise ein Darlehen sein, das aufgenommen wurde, um gemeinsam zu nutzenden Hausrat anzuschaffen oder eine Eigentumswohnung im Hinblick auf künftiges eheliches Wohnen zu erwerben. Der Zweck darf sich aber nicht allein in dem Zusammenleben erschöpfen. Die Verbindlichkeit muss gerade zur Eingehung der Ehe gedacht gewesen sein. Deshalb können Verbindlichkeiten in diesem Si...