Rz. 14

Ein ohne Wenn und Aber abgegebener Erbverzicht ist selten anzutreffen. In den meisten Fällen lassen die Eltern dem verzichtenden Kind Gegenleistungen zukommen oder haben dies in der Vergangenheit bereits getan, und das Kind verzichtet angesichts dieser Gegenleistungen dann auf weitergehende Ansprüche, indem es einen Erbverzicht erklärt. Im Rahmen geschickter Nachfolgeplanung ist das ein häufig eingesetztes Instrumentarium.

 

Rz. 15

Dennoch birgt diese Gestaltung Risiken, wie eine Entscheidung des BGH[5] aus dem Jahre 2008 zeigt. Hier stellte sich nämlich die Rechtsfrage, ob die Gegenleistung, die bei Abgabe eines Erbverzichts erfolgt, Entgeltcharakter hat. Wäre sie unentgeltlich, kämen wir sogleich in den Anwendungsbereich des § 2325 BGB, sodass der Empfänger der Leistung sogar noch mit Pflichtteilsergänzungsansprüchen rechnen muss.

 

Rz. 16

Die Auffassungen zur Entgeltlichkeit gehen auseinander. In der Literatur wird überwiegend vertreten, dass die Abfindung für einen Erbverzicht keine Schenkung, sondern ein entgeltliches Geschäft darstelle.[6] Der BGH ist der Auffassung, die Abfindung für einen Erbverzicht stelle eine unentgeltliche Zuwendung dar, soweit sie sich jedoch im Rahmen der Erberwartung des Verzichtenden halte, werde der Verzicht auf das gesetzliche Erbrecht nach § 2310 S. 2 BGB kompensiert, da sich infolge der Vorversterbensfiktion der Pflichtteil der übrigen Beteiligten entsprechend erhöhe. Wäre das anders, würde der Pflichtteilsberechtigte, dem die Erhöhung seiner Pflichtteilsquote durch den Erbverzicht des anderen zugutekommt, daneben noch einen Pflichtteilsergänzungsanspruch erhalten, was zu einer doppelten Bevorzugung führen würde. Nach dieser Rechtsprechung verbleibt es indes bei einem Pflichtteilsergänzungsanspruch, wenn die Leistung des Erblassers an den Verzichtenden über eine angemessene Abfindung für einen Erbverzicht hinausgeht. Bei der Wertung ist auf den Erbteil abzustellen und nicht auf den Wert des Pflichtteils.

 

Rz. 17

Höchst umstritten ist hierbei im Ergebnis noch, wie bei einem Erbverzicht gegen Abfindung die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs erfolgen muss.[7] Die an sich nachvollziehbare Rechtsprechung des BGH passt allerdings nur auf die Konstellation eines Erbverzichts, bei dem die Systematik des § 2310 S. 2 BGB ausgelöst wird, nicht jedoch auf einen Pflichtteilsverzicht, der die Vorversterbensfiktion nicht kennt.

 

Rz. 18

Schwierig sind die Fragen zu beantworten, wie die Übertragung von Geschäftsanteilen zu bewerten ist, wenn sie etwa als "Gegenleistung" für einen Erbverzicht erfolgt. Wenngleich man in der Rechtsprechung zunächst davon ausging, dass auch insoweit eine unentgeltliche Zuwendung vorliegt, ist vom BGH dann doch im Einzelfall eine nur noch gemischte Schenkung angenommen worden, wenn sich das aus einer Gesamtbetrachtung der gesellschaftsrechtlichen Regelungen und aller maßgeblichen Umstände ergibt.[8]

Damit sind natürlich derartige Zuwendungen mit dem Risiko eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs verbunden. Ob ein solcher besteht oder nicht, hängt von einer nicht sicher vorhersehbaren richterlichen Einschätzung ab, die von der Beantwortung der Frage abhängt, ob ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht.

 

Rz. 19

Ebenso risikobehaftet ist die Frage, ob etwa ein Abfindungsausschluss unter den Gesellschaftern zu einer Pflichtteilsproblematik führt.[9] Schließlich taucht die Frage einer Pflichtteilsergänzung auch bei einer unentgeltlichen Zuwendung an eine Stiftung auf, die der BGH zunächst grundsätzlich als unter § 2325 Abs. 3 BGB fallend qualifiziert hat.[10] Bei einer Stiftungserrichtung unter Lebenden (§ 81 BGB) kann man Zweifel an der Anwendung des § 2325 BGB haben, da die Vermögenszuwendung ja nicht durch übereinstimmende Willenserklärungen erfolgt, sondern die Stiftungserrichtung als solche eine einseitige Willenserklärung ist. Hier wird nach herrschender Auffassung eine analoge Anwendung des § 2325 BGB für richtig gehalten.[11]

[6] Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Pawlytta, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 99 m.w.N.
[7] OLG Hamm ZEV 2000, 277; Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Pawlytta, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 71.
[9] BGHZ 22, 186; Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Pawlytta, Handbuch Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 81.
[11] Rawert/Katschinski, ZEV 1996, 161.

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