Rz. 1

Selbst durchdachte Nachfolgeplanungen, die sich für einen objektiven Dritten auch als vernünftig darstellen, werden häufig durch nicht oder nicht ausreichend bedachte Pflichtteilsberechtigte durchkreuzt. Der Königsweg einer sicheren Gestaltung ist daher ganz sicher darin zu sehen, die Nachfolgeplanung im Einvernehmen aller in Betracht kommenden Pflichtteilsberechtigten durchzuführen, sie an den Überlegungen, aber auch den Ergebnissen dieser Planung zu beteiligen und sie verbindlich einzubeziehen, sodass häufig der Erbvertrag die einzig sinnvolle Lösung darstellt.

 

Rz. 2

Im Rahmen eines derartigen Erbvertrages könnten dann auch Erklärungen zu den Pflichtteilsansprüchen der so genannten weichenden Erben enthalten sein, darüber hinaus kann man in dieses Vertragswerk Erklärungen zu bereits erhaltenen Vermögenswerten aufnehmen, indem dort Anrechnungs- oder Ausgleichungsvereinbarungen getroffen werden.

 

Rz. 3

Das alles in eine Urkunde aufzunehmen, ist allerdings nicht zwingend. So wäre es denkbar, die Vermögensnachfolge im Rahmen eines Testamentes oder Erbvertrages zu regeln und flankierend dazu die notwendigen Erklärungen der übrigen Beteiligten einzuholen. Isolierte Pflichtteilsverzichtsverträge tauchen in der Gestaltungspraxis häufig auf. Sie sind insbesondere dann sinnvoll, wenn Verzichte unabhängig von der ansonsten vorgesehenen Erbeinsetzung vollzogen werden sollen, so dass man keinerlei Abhängigkeit der Verträge untereinander herstellen möchte. Aber selbst ein Bedingungszusammenhang ließe sich konstruieren. Der Pflichtteilsverzicht als solcher kann durchaus unter die Bedingung weiterer erbrechtlicher Verfügungen des Erblassers gestellt werden.

 

Rz. 4

 

Beispiel

Die Eltern wollen sich gegenseitig zu alleinigen Erben einsetzen und verhindern, dass die Kinder nach dem Erstversterbenden der Eltern dem Längerlebenden gegenüber Pflichtteilsansprüche geltend machen können. Andererseits wollen sie die Kinder zu Schlusserben des Längerlebenden einsetzen, ohne sich jedoch endgültig binden zu wollen. In diesem Falle ist auf einen Verzicht auf Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche durch die Kinder den Eltern gegenüber hinzuwirken. Wenn sich dieser sowohl auf den Tod des Erstversterbenden der Eltern wie auch auf den des Längerlebenden bezieht, sollte er indes unter die Bedingung gestellt werden, dass die Kinder tatsächlich Erben des Längerlebenden zu gleichen Teilen werden.

 

Rz. 5

Muster 3.1: Pflichtteilsverzicht

 

Muster 3.1: Pflichtteilsverzicht

Die Erschienenen zu 2. und 3. (im Beispielsfall die Kinder) verzichten gegenüber ihren Eltern, den Erschienenen zu 1., für sich und ihre Abkömmlinge auf die Geltendmachung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen, und zwar sowohl nach dem Erstversterbenden wie auch nach dem Längerlebenden.

Der auf den Tod des Längerlebenden abgegebene Verzicht steht unter der Bedingung, dass es bei der Erbeinsetzung der Erschienenen zu 2. und 3. auf den Tod des Längerlebenden gemäß Erbvertrag vom heutigen Tage (UR-Nr. (…) uneingeschränkt verbleibt.

Die Erschienenen zu 1. (Eltern) nehmen die Verzichte ihrer Kinder hiermit an.

 

Rz. 6

Ebenso denkbar ist, in diesen Fällen die Verzichtserklärungen nur auf den Tod des Erstversterbenden zu beschränken, damit die Kinder nach dem Längerlebenden noch ihre Pflichtteilsansprüche geltend machen können, sollten sie nicht als Erben in Betracht kommen.

 

Rz. 7

Pflichtteilsberechtigte bei der Strukturierung der Nachfolgeplanung aber außen vor zu lassen, rächt sich spätestens im Zeitpunkt des Erbfalls. Nicht selten können solche übergangenen Kinder dem auserkorenen Erben das Leben so schwer machen, dass am Ende ein teuer erkaufter Vergleich oder gar die Ausschlagung der Erbschaft steht.

Wenn es also dem Erblasser um den Erhalt seiner Vermögensstrukturen geht, geht kein Weg daran vorbei, auch ungeliebte Abkömmlinge mit einzubeziehen oder aber durch geschickte – an anderer Stelle abzuhandelnde – Gestaltungen zu erreichen, dass der Pflichtteilsanspruch nicht oder nicht mehr werthaltig ist.

 

Rz. 8

Ein weiteres Problem besteht darin, dass Pflichtteilsberechtigte übersehen werden. So ist das Pflichtteilsrecht der Eltern bei kinderlosen Abkömmlingen nicht selten Gegenstand gerichtlicher Streitigkeiten, in deren Verlauf klar wird, dass dieses Pflichtteilsrecht, welches sich aus § 2303 Abs. 2 S. 1 BGB ergibt, unbekannt war. Erst recht wird in der Praxis übersehen, dass zu den pflichtteilsberechtigten Eltern grundsätzlich auch die Adoptiveltern (§§ 1754, 1767 Abs. 2 BGB) zählen, während das Erbrecht der leiblichen Eltern bei der Minderjährigenadoption erlischt (§ 1755 BGB), bei der Volljährigenadoption aber grundsätzlich bestehen bleibt (§ 1770 Abs. 2 BGB).[1]

 

Rz. 9

In Zeiten, in denen immer mehr Beteiligte in nichtehelicher Lebensgemeinschaft leben und jedenfalls über längere Zeit als früher kinderlos bleiben, gewinnt das Pflichtteilsrecht der jeweiligen Eltern erheblich an Bedeutung, und zwar nicht nur der Bestand des Rechts, sondern auch die erhebliche Quote,...

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