Rz. 57

Die Ausgleichspflicht ist in § 2316 BGB geregelt. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 2316 BGB ist, dass mehrere Abkömmlinge vorhanden sind. Neben dem Pflichtteilsberechtigten ist denkbar, dass ein weiterer Erbe oder ein weiterer Pflichtteilsberechtigter vorhanden ist. Voraussetzung ist, dass diese weitere Person zum Erben berufen ist.

Dem Gesetzgeber schwebte hierbei vor, dass bestimmte Zuwendungen an Abkömmlinge bei der Auseinandersetzung des Nachlasses unter den Miterben unter diesen Abkömmlingen zur Verschiebung des Wertes des jeweiligen Erbteils trotz gleicher Erbquote führen sollten. Leitbild des Gesetzes ist die gleichmäßige Teilhabe aller Kinder am Nachlass. Dieser Gedanke wird in das Pflichtteilsrecht übernommen. Wie bereits erwähnt, muss im Zeitpunkt des Erbfalls eine Mehrzahl von Abkömmlingen vorhanden sein.

 

Rz. 58

Abkömmlinge sind alle Personen, die direkt vom Erblasser abstammen, also Kinder, Enkel, Urenkel in absteigender gerader Linie.[39] Auch hier ist allerdings darauf hinzuweisen, dass ein Erbverzicht zu einer Vorversterbensfiktion führt.

Eine Ausgleichung nach § 2316 BGB setzt voraus, dass dem entsprechenden Abkömmling eine Zuwendung gemacht worden ist.

 

Rz. 59

Anders als im Zusammenhang des § 2315 BGB kann es sich nach einer Literaturmeinung bei der Zuwendung gemäß § 2316 BGB auch um die Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung, also etwa einer Unterhaltspflicht, handeln.[40] Der wesentliche Fall des § 2316 BGB ist eine Ausstattung gemäß § 2050 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift haben Abkömmlinge das, was sie vom Erblasser lebzeitig als Ausstattung erhalten, zur Ausgleichung zu bringen. § 2316 Abs. 3 BGB überträgt diese Regelung auf das Pflichtteilsrecht. Diese Regelung kann ein Erblasser nicht abändern.[41] Anders ist das bei Schenkungen, die den Ausstattungsbegriff nicht erfüllen. Hier gibt es keine Ausgleichspflicht kraft Gesetzes. Daher liegt es auf der Hand, dass es zur Frage, ob eine Zuwendung nun als Ausstattung zu verstehen war oder nicht, immer wieder Streit gibt. Auf die zu § 1624 BGB ergangene Rechtsprechung muss hier verwiesen werden.

 

Rz. 60

Beispiele für eine Ausstattung sind Kapitalzuwendungen zur Begründung eines eigenen Hausstandes, für den beruflichen Start, die Einrichtung eines Handwerksbetriebes, Grundstücksnutzungsrechte wie Nießbrauch, Aussteuerzahlungen und ähnliches.[42] Nur die Zuwendungen, die die Ausstattung im Normalmaß übersteigen, so genannte Übermaßausstattungen, werden als Schenkungen qualifiziert. Diese unterliegen dann einer Pflichtteilsergänzung.

 

Rz. 61

Nach § 2050 Abs. 2 BGB sind Zuschüsse, die zu dem Zweck gegeben worden sind, als Einkünfte verwendet zu werden, sowie Aufwendungen für die Vorbildung zu einem Beruf ebenfalls zur Ausgleichung zu bringen, soweit sie den Vermögensverhältnissen des Erblassers nicht mehr entsprechen, sondern dieses Maß überstiegen haben, also im Übermaß erfolgt sind. Das ist indiziell dann der Fall, wenn die Zuwendung aus dem Kapitalstamm des Erblassers und nicht aus laufendem Einkommen stammt.[43] Auch hier ist erhebliches Ermessen bei der richterlichen Zuordnung der jeweiligen Leistungen zu sehen.

 

Rz. 62

Schließlich sieht § 2050 Abs. 3 BGB vor, dass eine Ausgleichung auch dann stattzufinden hat, wenn der Erblasser bei der Zuwendung die Ausgleichung angeordnet hat. Auch hier gilt, dass eine nachträgliche Anordnung einseitig nicht möglich ist. Die einzig denkbare Möglichkeit besteht auch hier in dem formgerecht abgeschlossenen Erb- bzw. Pflichtteilsverzichtsvertrag.

Auf die Besonderheiten des § 2057a BGB, also Mitarbeit des Abkömmlings im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers, wird hier nur der Vollständigkeit halber verwiesen.

[39] MüKo/Leipold, § 1924 Rn 3.
[40] BeckOK-BGB/Bamberger/Roth/Müller-Engels, § 2316 Rn 5.
[41] MüKo/Lange, § 2316 Rn 9.
[42] Everts, MittBayNot 2011, 107.
[43] MüKo/Ann, § 2050 Rn 27.

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