Rz. 50

Die Berechnung der Anrechnung erfolgt grundsätzlich in drei Schritten. Zunächst ist dem Nachlass die Zuwendung hinzuzurechnen. § 2315 Abs. 2 BGB sagt hierzu, dass der Wert sich nach der Zeit bestimmt, zu welcher die Zuwendung erfolgt ist. Der Erblasser kann dazu einen anderen Zeitpunkt festlegen, er könnte also beispielsweise anordnen, dass der Wert auf den Erbfall selbst bezogen zu errechnen ist.[36] Verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 2315 Abs. 2 BGB, ist allerdings der Wert auf den Zeitpunkt des Erbfalls zu indexieren.[37]

 

Rz. 51

In einem zweiten Schritt wird nach erfolgter Addition des Nachlasses und des Vorempfangs hieraus der fiktive Pflichtteil errechnet, und zwar nach der Quote (§ 2303 Abs. 1 BGB).

In einem dritten Schritt ergibt sich der geschuldete Pflichtteil aus dem fiktiven Pflichtteil abzüglich des Vorempfangs (§ 2315 Abs. 1 BGB). Die Berechnung ist also relativ einfach.

 

Rz. 52

Hat beispielsweise der Erblasser einem seiner Kinder lebzeitig eine Zuwendung von 50.000 EUR gemacht und ist der Nachlass anschließend 250.000 EUR wert, so wäre für den Fall, dass der Erblasser ein anderes Kind zum alleinigen Erben einsetzt, der Pflichtteilsanspruch des beschenkten Kindes bei wirksamer Anrechnungsbestimmung wie folgt zu errechnen:

 

Rz. 53

 

Beispiel: Berechnung

Erster Schritt:

Nachlasswert: 250.000 EUR zuzüglich Schenkung 50.000 EUR = 300.000 EUR

Zweiter Schritt:

Fiktiver Pflichtteilsanspruch bei zwei Kindern ¼ = 75.000 EUR

Dritter Schritt:

75.000 EUR – 50.000 EUR = 25.000 EUR

Letzteres ist der zu zahlende Pflichtteilsanspruch.

 

Rz. 54

Die Indexierung ist bei diesem Rechenbeispiel aus Vereinfachungsgründen außen vor geblieben. Wäre zu indexieren, müsste man den Verbraucherpreisindex (VPI) zugrunde legen und käme dann zu einem höheren lebzeitig zugewandten Betrag je nachdem, wann die Schenkung erfolgt ist.

 

Rz. 55

Schwieriger wird es dann, wenn beispielsweise Gegenleistungen des Erblassers zu berücksichtigen sind. So ergäbe sich diese Problematik etwa für den Fall, dass der Erblasser dem Sohn kein Bargeld geschenkt hätte, sondern ein Haus übertragen hätte und sich hier ein Nießbrauchs- oder Wohnungsrecht vorbehalten hätte.

Bei vorbehaltenen Rechten erfolgt grundsätzlich eine Kapitalisierung nach der Lebenserwartung. Dieses Recht wird dann vom anzurechnenden Wert abgezogen (so genannte abstrakte ex ante-Berechnung ähnlich wie bei § 2325 BGB).[38] Kompliziert wird es auch dann, wenn es mehrere Anrechnungspflichtige mit unterschiedlichen Zuwendungen gibt. Hier ist im Ergebnis bei jedem getrennt zu rechnen.

 

Rz. 56

Muster 3.5: Anrechnungsbestimmung

 

Muster 3.5: Anrechnungsbestimmung

Der Erschienene zu 2. (Übertragsnehmer) hat die vorstehende Übertragung des Grundbesitzes mit einem Wert von 250.000 EUR auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen. Hinsichtlich einer etwaigen Überbewertung wird hiermit ein beschränkter Pflichtteilsverzicht erklärt.

Der Pflichtteilsverzicht wird hiermit von den Erschienenen zu 1. angenommen.

[36] OLG Nürnberg ZEV 2006, 361.
[37] BGH NJW 1975, 1831.
[38] Tanck, ZErb 2000, 3, 4.

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