aa) Ersatz des Verzögerungsschadens (§ 280 Abs. 1 und 2 BGB)
Rz. 29
Der Auftraggeber kann den Ersatz des ihm entstandenen, adäquat kausal durch die Verzögerung der Bauleistung entstandenen Schadens verlangen. Hierzu gehören insbesondere
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erhöhte Baukosten wegen zwischenzeitlichen Preisanstiegs, |
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erhöhter Zinsaufwand, |
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Entschädigungs- oder Schadensersatzzahlungen an weitere Auftragnehmer (sog. Behinderungs- oder Bauzeitnachträge), insbesondere Nachunternehmer, |
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zusätzliche Zahlungen an bauüberwachende Architekten oder Ingenieure wegen der Verlängerung der Bauzeit (nur in Ausnahmefällen, da nach der Rechtsprechung hierfür nur bei Wegfall der Geschäftsgrundlage vom Architekten/Ingenieur ein Mehrhonorar verlangt werden kann oder wenn es eine entsprechende Klausel in dem jeweiligen Vertrag dafür geben würde), |
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verzugsbedingt entgangener Gewinn (§ 252 BGB) (z.B. entgangene Mieteinnahmen, wobei die Haftungsbeschränkung nach § 6 Abs. 6 VOB/B zu beachten ist), |
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Rechtsverfolgungskosten, insbesondere Rechtsanwaltskosten. |
In vielen Fällen lässt der Auftragnehmer ein sog. baubetriebliches Gutachten über seine behinderungsbedingten Verzugsansprüche erstellen, dass insofern die Behinderungsauswirkungen dem Grunde nach und dann hinsichtlich der Mehrkosten aufzeigt. Der BGH hat für einen Vergütungsanspruch aus § 2 Abs. 5 VOB/B für bauzeitabhängige Mehrkosten infolge einer verzögerten Vergabe entschieden, dass solche Privatgutachterkosten nicht erstattungsfähig seien.
Rz. 30
Der eigene, d.h. schadensbedingte Zeitaufwand – insbesondere für den Einsatz von eigenen Mitarbeitern – bei der außergerichtlichen Abwicklung des Schadensersatzanspruches wird grundsätzlich nicht ersetzt, selbst wenn z.B. eine Behörde oder der Auftraggeber hierfür besonderes Personal einsetzen müssen, sofern der Rahmen des allgemein Üblichen nicht überschritten wird. Nach der Rechtsprechung des BGH hat der Gläubiger den Aufwand zur Verfolgung seiner Ansprüche im Rahmen einer üblichen Mühewaltung selbst zu tragen.
bb) Rücktritt des Auftraggebers (§ 323 BGB)
Rz. 31
Gem. § 323 Abs. 1 BGB kann, wenn bei einem gegenseitigen Vertrag der Auftragnehmer eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt, der Gläubiger vom Vertrag zurücktreten, wenn er dem Auftragnehmer erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt hat. Der Rücktritt wird in der Baupraxis noch fast immer durch die Vertragskündigung ersetzt. Zudem besteht seit dem 1.1.2018 ein spezielles werkvertragliches Kündigungsrecht aus wichtigem Grund für beide Vertragsparteien gemäß § 648a BGB (siehe unten Rdn 36). Der Rücktritt besitzt daher wenig Praxisrelevanz.
cc) Schadensersatz statt der Leistung (§ 281 Abs. 1 BGB)
Rz. 32
Der unter Rdn 29 f. behandelte Verzugsschadensersatz nach § 280 Abs. 1 und 2 BGB umfasst die Schäden, die aufgrund des Schuldnerverzuges entstehen und durch Nacherfüllung nicht beseitigt werden können und für die der Gläubiger Ersatz neben der Vertragsleistung verlangt. Der Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 281 Abs. 1 BGB umfasst demgegenüber die Schäden, für die der Gläubiger Ersatz statt der – durch den Rücktritt oder die Vertragskündigung weggefallenen – Vertragsleistung verlangt. Wichtigstes Beispiel hierfür sind Mehrkosten, die infolge des Rücktritts oder der Kündigung durch die Beauftragung einer Drittfirma mit der Weiterführung und Fertigstellung der Bauarbeiten entstehen.
Nach der Rechtsprechung ist § 323 Abs. 4 BGB auf den Schadensersatzanspruch aus § 281 BGB analog anwendbar. Das bedeutet, dass auch die Verletzung einer noch nicht fälligen, im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Vertragspflicht durch den Schuldner seine Haftung aus § 281 BGB begründen kann, nämlich wenn bereits jetzt feststeht, dass er sie auch zum künftigen Fälligkeitszeitpunkt nicht erfüllt haben wird. Diese analoge Anwendbarkeit folgt aus dem Umstand, dass der Schadensersatzanspruch aus § 281 BGB immer dann auf Grundlage eines Werkvertrags geltend gemacht werden kann, wenn dieser Vertrag in ein sog. Abrechnungsverhältnis übergegangen ist.
Rz. 33
Voraussetzung für einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung ist, dass der Gläubiger dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt hat (§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB). Was angemessen ist, ist eine Einzelfallentscheidung. Die Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verwe...