Rz. 99
Die Höhe des Entschädigungsanspruchs bestimmt sich gem. § 642 Abs. 2 BGB zum einen nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, zum anderen danach, was der Auftragnehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann. Dabei trägt der Auftragnehmer die Beweislast für die Dauer des Verzugs und die vereinbarte Vergütung.
Rz. 100
Der BGH hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 26.10.2017 – unter teilweiser Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung – Folgendes klargestellt:
▪ |
§ 642 BGB gewährt dem Auftragnehmer eine angemessene Entschädigung dafür, dass er während der Dauer des Annahmeverzugs des Auftraggebers infolge Unterlassens einer diesem obliegenden Mitwirkungshandlung Personal, Geräte und Kapital (also die Produktionsmittel zur Herstellung der Werkleistung) bereithält. |
▪ |
Bei dem Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB handelt es sich um einen verschuldensunabhängigen Anspruch eigener Art, auf den die Vorschriften zur Berechnung des Schadensersatzes (§§ 249 ff. BGB) nicht anwendbar sind. |
▪ |
Zeitliches Kriterium für die Berechnung der Entschädigungshöhe ist nur die Dauer des Annahmeverzugs des Auftraggebers, nicht jedoch dessen Auswirkung auf den weiteren Bauablauf. Mehrkosten wie gestiegene Lohn- und Materialkosten, die zwar aufgrund des Annahmeverzugs des Auftraggebers, aber erst nach dessen Beendigung (nämlich bei Ausführung der verschobenen Werkleistung) anfallen, sind von dem Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB nicht erfasst. |
▪ |
Die Höhe des Entschädigungsanspruchs aus § 642 Abs. 2 BGB bestimmt sich nach der Höhe der vereinbarten Vergütung und umfasst auch die in dieser Vergütung enthaltenen Anteile für Wagnis, Gewinn und Allgemeine Geschäftskosten, nicht aber anderweitig entgangenen Gewinn des Auftragnehmers. |
Rz. 101
Gerätestillstandskosten dürfen nach der Baugeräteliste geschätzt werden (§ 287 ZPO). In der Regel ist danach ein kostendeckender Faktor von ca. 70 % des Baugerätelistenwertes anzusetzen.
Rz. 102
Ob der Anspruch aus § 642 BGB eine bauablaufbezogene Darstellung (Gegenüberstellung der Soll- und der Ist-Abläufe) voraussetzt, hat der BGH in seiner Grundsatzentscheidung vom 26.10.2017 offengelassen. Nach der bisher herrschenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte setzt der Anspruch aus § 642 BGB eine bauablaufbezogene Darstellung, bezogen auf jede einzelne Behinderung, voraus (vgl. auch die nachfolgenden Ausführungen unter Rdn 177 ff. zur Kausalität, die hier ebenfalls gelten). Der Auftragnehmer hat darzulegen und gemäß § 286 ZPO vollen Beweis dafür zu erbringen, wie lange die konkrete Behinderung andauerte. Dagegen sind weitere Folgen der konkreten Behinderung gem. § 287 ZPO schätzbar, wenn vom Auftragnehmer hierzu ausreichend vorgetragen wird, d.h. es kann geschätzt werden, inwieweit eine konkrete Behinderung von bestimmter Dauer zu einer Verlängerung der gesamten Bauzeit geführt hat, weil sich Anschlussgewerke verzögert haben.
Die verschiedenen Oberlandesgerichte haben aus der bisherigen BGH-Rechtsprechung abgeleitet, dass eine bauablaufbezogene Darstellung immer notwendig sei, weshalb dann gar nicht mehr geschätzt werden müsste. Die obergerichtliche Rechtsprechung verlangt insofern, dass dem Auftragnehmer ein konkreter bauablaufbezogener Nachteil entstanden ist oder dass jedenfalls diejenigen bauablaufbezogenen Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich ein konkreter Nachteil des Auftragnehmers nach § 287 ZPO schätzen lässt. Ob das richtig ist oder nicht, wurde vom BGH bisher noch nicht endgültig entschieden.
Weiterhin muss vom Auftragnehmer dargestellt werden,
▪ |
ob die angesetzten Bauzeiten mit den in der Preiskalkulation von ihm vorgesehenen Mitteln eingehalten werden konnten und ob die Baustelle tatsächlich mit ausreichenden Arbeitskräften besetzt war; |
▪ |
wie er den Bauablauf tatsächlich geplant hat, d.h. welche Teilleistungen er in welcher Zeit herstellen wollte und wie der Arbeitskräfteeinsatz erfolgen sollte; |
▪ |
inwieweit ihm wartezeitbedingte Mehrkosten durch Vorhaltung von Arbeitskraft und Geschäftskapital entstanden sind, die nicht durch die ursprüngliche Kalkulation abgegolten sind; |
▪ |
dass kein Füllauftrag vorhanden war. |
Rz. 103
Allgemeine Geschäftskosten (AGK) und Baustellengemeinkosten (BGK) können nach der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung im Rahmen von § 642 BGB nur in tatsächlich angefallener Höhe und nicht in Form von kalkulierten Zuschlagssätzen geltend gemacht werden. Ob diese Auffassung im Hinblick auf die Grundsatzentscheidung des BGH vom 26.10.2017, wonach der Entschädigungsanspruch aus § 642 Abs. 2 BGB auch die in der vereinbarten Vergütung enthaltenen Anteile für Wagnis, Gewinn und Allgemeine Geschäftskosten umfasst, noch aufrechterhalten werden kann, erscheint fraglich.
Rz. 104
Der Anspruch aus § 642 BGB ist mit Umsatzsteuer zu berechnen.