Dr. Jörg Kraemer, Frank-Michael Goebel
Rz. 34
Bis zur Reform der Sachaufklärung war es Aufgabe des Gerichtsvollziehers, während der Sachpfändung, der darauf fußenden Verwertung und des Offenbarungsverfahrens mit dem Schuldner eine gütliche Erledigung zu versuchen, §§ 806b, 813a und b und 900 Abs. 3 ZPO a.F. Anders als bei der eigentlichen Zwangsvollstreckung zeigten sich die Gerichtsvollzieher hier auch durchaus erfolgreich, wenngleich die Praxis ganz erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Gerichtsvollziehern offenbarte. In vielen Fällen konnten engagierte Gerichtsvollzieher über die gütliche Einigung dem Gläubiger zumindest eine Teilbefriedigung und die Refinanzierung der Kosten ermöglichen.
Rz. 35
Hinweis
So mancher Gläubiger stellt sich die Frage, weshalb der Schuldner mit dem Gerichtsvollzieher eine gütliche Einigung erzielt, die ihm auch schon zuvor mehrfach angeboten wurde. Der Schlüssel liegt in der persönlichen Ansprache, die der Gerichtsvollzieher dadurch erzielt, dass er den Schuldner aufsucht und ihn in seiner konkreten Lebenssituation antrifft und dort sieht, was ihn die Frage der Leistungsfähigkeit abschätzen lässt. Wer an solchen Besuchen schon einmal teilgenommen hat, weiß, dass die Zwangsbefugnisse, die dem Gerichtsvollzieher zukommen, völlig in den Hintergrund treten. Es wundert deshalb nicht, dass die Gläubiger, die schon vorgerichtlich auf einen (auch externen) Außendienst setzen, damit in gleicher Weise gute Erfolge erzielen, ohne die hohen Kosten der Titulierung und Vollstreckung vorfinanzieren zu müssen. Auch dem Schuldner ist so gedient, da die von ihm erbrachten Zahlungen früher auf die Hauptforderung verrechnet werden und seine Schuld dann wirklich auch tilgen.
Rz. 36
Mit der Reform der Sachaufklärung geht der Gesetzgeber seit dem 1.1.2013 einen Schritt weiter. War das Bemühen um die gütliche Erledigung vor der Reform der Sachaufklärung stets nur ein Annex zur Haupttätigkeit der Zwangsvollstreckung, erhält der Gläubiger mit § 802b ZPO die Möglichkeit, die gütliche Erledigung in allen Stadien des nachgerichtlichen Verfahrens in den Mittelpunkt zu stellen. Er muss sie also nicht mehr zwingend mit einer anderen Tätigkeit des Gerichtsvollziehers verbinden, ohne diese Möglichkeit zu verlieren. Insbesondere bei fortgesetzten Dauerschuldverhältnissen kann es sich anbieten, auf die isolierte Beauftragung der gütlichen Erledigung zu setzen. Gleichzeitig bleibt sie nach §§ 802a Abs. 2 S. 2, 802b Abs. 1 ZPO originärer Teil jeder anderen Vollstreckungshandlung, solange der Gläubiger sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen hat.
Rz. 37
Vor der Reform der Sachaufklärung war ein Absehen von einer weiteren Vollstreckungshandlung und eine gütliche Erledigung nur nach erfolgloser Sachpfändung (§ 806b ZPO a.F.), vor der Verwertung eines gepfändeten Gegenstandes (§§ 813a und b ZPO a.F.) und zur Vermeidung der Abgabe der Vermögensauskunft (§ 900 Abs. 3 ZPO a.F.) vorgesehen. Nunmehr hat der Gerichtsvollzieher in jeder Phase des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken, § 802b Abs. 1 ZPO, und ist hierzu auch stets und ohne ausdrücklichen Antrag des Gläubigers beauftragt, § 802a Abs. 2 S. 2 ZPO.
Rz. 38
Er kann eine gütliche Erledigung – wie es die Regelbefugnis des § 802a Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorsieht – auch schon vor der Sachpfändung anstreben, ebenso wie vor der Einholung der Vermögensauskunft. Gleiches gilt vor der Einholung von Vermögensauskünften Dritter nach § 802l ZPO oder in Zusammenhang mit der Vorpfändung nach § 845 ZPO. Da nun nach der Abnahme der Vermögensauskunft, aber vor der Eintragung im Schuldnerverzeichnis, noch eine gesonderte Eintragungsanordnung nach § 882c ZPO ergehen muss, kann auch in dieser Zwischenzeit noch eine gütliche Einigung versucht werden. Sie schiebt zugunsten des Schuldners sogar eine Eintragung im Schuldnerverzeichnis auf, § 882c Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ZPO.
Rz. 39
Hinweis
Damit kann die Zahlungsvereinbarung des Schuldners mit dem Gerichtsvollzieher vor dem Hintergrund von § 133 InsO insolvenzfester ausgestaltet werden. Teilzahlungen des Schuldners, die dieser nach fruchtloser Zwangsvollstreckung im Rahmen einer vom Gerichtsvollzieher herbeigeführten Ratenzahlungsvereinbarung erbringt, sind wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung nach Ansicht des BGH anfechtbar. Der BGH hat dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass durch die vorausgegangene fruchtlose Zwangsvollstreckung hinreichend dokumentiert ist, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist und dass dem Gläubiger, der die Ratenzahlung entgegennimmt dies nach Kenntnisnahme von dem Vollstreckungsergebnis auch bekannt ist. Dies kann aber nicht mehr gelten, wenn der Versuch der gütlichen Einigung gerade vor der eigentlichen Sachpfändung oder der Abnahme einer Vermögensauskunft – erfolgreich – stattgefunden hat. Ob der Schuldner – im Zeitpunkt der Rechtshandlung (!) – tatsächlich zahlungsunfähig ist, wird durch einen solchen Vollstreckungsgang gerade nicht mehr dokumentiert. Dies gilt erst recht, wenn der Gerichtsvollzieher isoliert mit der gütlichen Erle...