I. Errichtung eines Nachlassverzeichnisses
1. Schuldrechtliche "Sicherung" der Nacherbenrechte
Rz. 58
Nach Eintritt des Erbfalls besteht die Rechtsstellung des Nacherben darin, dass er ein quasidingliches Anwartschaftsrecht erwirbt. Mit Eintritt des Erbfalls bedarf es weiterer Informations- und Sicherungsrechte, um dem Nacherben bei Eintritt des Nacherbfalls einen werthaltigen Nachlass zukommen zu lassen.
2. Rechtliche Grundlagen
Rz. 59
Der Nacherbe kann nach Eintritt des Erbfalls vom Vorerben die Errichtung eines Verzeichnisses der vorhandenen Nachlassgegenstände verlangen, § 2121 Abs. 1 BGB.
Rz. 60
Der Vorerbe hat dem Nacherben auf Verlangen ein Verzeichnis der zur Erbschaft gehörenden Gegenstände mitzuteilen. Das Verzeichnis ist mit der Angabe des Tages der Aufnahme zu versehen und von dem Vorerben zu unterzeichnen; der Vorerbe hat auf Verlangen die Unterzeichnung öffentlich beglaubigen zu lassen.
Rz. 61
Nur auf Verlangen ist das Verzeichnis zu errichten, der Vorerbe muss also von sich aus dem Nacherben das Verzeichnis nicht zur Verfügung stellen.
Es ist nicht erforderlich, dass Grund zu der Annahme besteht, der Vorerbe habe Rechte des Nacherben erheblich verletzt. Insoweit unterscheidet sich der Anspruch auf Mitteilung eines Nachlassverzeichnisses von dem Auskunftsanspruch nach § 2127 BGB.
3. Keine Befreiung des Vorerben
Rz. 62
Der Erblasser kann den Vorerben von dieser Verpflichtung nicht befreien, § 2136 BGB nennt die Vorschrift des § 2121 BGB nicht.
4. Mehrere Nacherben
Rz. 63
Gläubiger des Anspruchs auf das Nachlassverzeichnis ist der Nacherbe. Sind mehrere Nacherben vorhanden, so kann jeder den Anspruch für sich geltend machen, weil vor Eintritt des Nacherbfalls zwischen den Nacherben keine Erbengemeinschaft besteht. Insbesondere gilt zwischen ihnen nicht § 2039 BGB, der bei der Erbengemeinschaft eine gesetzliche Prozessstandschaft vorsieht.
Ist ein Nacherben-Testamentsvollstrecker bestellt (§ 2222 BGB), so kann nur dieser das Verzeichnis verlangen. Der Testamentsvollstrecker muss den Nacherben über den Inhalt des Verzeichnisses so informieren, als ob der Nacherbe den Anspruch selbst geltend gemacht hätte.
Einem Ersatznacherben steht der Anspruch vor Eintritt des Ersatzfalles nicht zu.
5. Mehrere Vorerben
Rz. 64
Steht der Nachlass mehreren Vorerben in Erbengemeinschaft zu, so sind sie verpflichtet, das Verzeichnis gemeinsam zu erstellen. Jeder Miterbe ist den anderen gegenüber verpflichtet, dabei mitzuwirken, weil es sich um eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung i.S.v. § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB handelt.
6. Inhalt des Verzeichnisses
Rz. 65
Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Aufnahme des Verzeichnisses, nicht der Erbfall. Nach dem Erbfall zum Nachlass gekommene Surrogate sind deshalb aufzunehmen, nicht aber zwischenzeitlich aus dem Nachlass ausgeschiedene Gegenstände. Über deren Verbleib kann nur im Rahmen des Anspruchs aus § 2127 BGB Auskunft verlangt werden. Ferner müssen in das Verzeichnis nur die Aktiva der Erbschaft aufgenommen werden, Aussagen zu den Nachlassverbindlichkeiten und Wertangaben sind nicht erforderlich. Bei einer Gesellschaft sind nicht die einzelnen Vermögensgegenstände, sondern die Beteiligung als solche anzugeben. Ein Anspruch auf Erstellung einer Bilanz folgt aus § 2121 BGB ebenfalls nicht.
Rz. 66
Ist der Vorerbe verpflichtet, ein Vermögensverzeichnis zu erstellen, so hat dies die im Nachlass befindlichen Vermögensgegenstände, nicht jedoch bloße Erinnerungsstücke ohne materiellen Wert oder Verbindlichkeiten zu umfassen. Ist den Nacherben der Umfang des Nachlasses bekannt und weiß der Nacherbentestamentsvollstrecker daher, dass im Nachlass keine Wertgegenstände vorhanden sind, die nicht im Nachlassverzeichnis aufgeführt sind, wäre es reiner Formalismus, würde vom Nacherbentestamentsvollstrecker dennoch gefordert, vom Vorerben eine über das Nachlassverzeichnis hinausgehende Auskunft anzufordern.
Praxishinweis
Versucht der Vorerbe, sich der Erteilung des Nachlassverzeichnisses nach § 2121 BGB zu entziehen, obwohl die Aufstellung keine besonderen Schwierigkeiten bereiten würde, oder legt er ein unrichtiges Verzeichnis vor, kann dies einen Anspruch auf Sicherheitsleistung nach § 2128 BGB auslösen.
7. Formalien des Verzeichnisses
Rz. 67
Das Nachlassverzeichnis muss schriftlich erstellt und vom Vorerben unter Angabe des Datums unterschrieben werden. Der Nacherbe kann verlangen, dass das Verzeichnis nach § 2121 Abs. 3 BGB amtlich aufgenommen (Notar oder Beamter) und er nach § 2121 Abs. 2 BGB bei der Aufnahme hinzugezogen wird. Die Kosten der Aufnahme und der Beglaubigung fal...