1. Die Verfügungsbeschränkung des Vorerben
Rz. 47
Das Recht des Vorerben ist insbesondere gefährdet durch Verfügungen des Vorerben. Diese sind dem Nacherben gegenüber grundsätzlich wirksam (§ 2112 BGB), soweit dem Vorerben nicht bestimmte Arten von Verfügungen über den Nachlass in den §§ 2113 bis 2115 BGB untersagt sind. Ein Rechtsverlust des Nacherben droht ihm im Hinblick auf die Möglichkeiten eines gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten – dem eigentlich in der Verfügungsfreiheit eingeschränkten Vorerben. Dies gilt vor allem für Grundstücke. Nach § 2113 Abs. 3 BGB finden die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb entsprechende Anwendung. Dem trägt das Grundbuchverfahrensrecht insofern Rechnung, als bei einem zum Vorerben-Nachlass gehörenden Grundstück von Amts wegen ein Nacherbenvermerk im Grundbuch einzutragen ist, vgl. § 51 GBO.
Rz. 48
Nach § 2113 Abs. 3 BGB ist ein gutgläubiger Erwerb eines Dritten möglich, d.h. der Erwerber erwirbt das Recht auch dann dem Nacherben gegenüber rechtswirksam, wenn die Nacherbfolge im Grundbuch nicht vermerkt und dem Erwerber auch nicht positiv bekannt ist, § 2113 Abs. 3 i.V.m. § 892 Abs. 1 BGB.
Hat der Vorerbe einen Erbschein, in dem die Nacherbfolge nicht vermerkt ist, so kommt gutgläubiger Erwerb nach § 2366 BGB in Betracht.
Rz. 49
Damit Dritte nicht gutgläubig vom Vorerben auf der Grundlage von Grundstücksverfügungen erwerben können, zu denen der Vorerbe im Hinblick auf die Verfügungsbeschränkungen der §§ 2113 ff. BGB nicht berechtigt ist, sieht das Gesetz die Eintragung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch vor, sobald der Vorerbe als Rechtsnachfolger des Erblassers im Grundbuch eingetragen wird (§ 51 GBO). Die Eintragung erfolgt von Amts wegen. Aus den Erbnachweisen des Vorerben, die dieser im Grundbuchberichtigungsverfahren vorzulegen hat, ersieht das Grundbuchamt die angeordnete Nacherbfolge, vgl. § 352b Abs. 1 FamFG; auch im Erbschein ist die Nacherbfolge von Amts wegen anzugeben. Der Vermerk wird in Abt. II des Grundbuchs eingetragen, § 10 Abs. 1 GBV. Die Tatsache, dass sowohl im FamFG als auch in der GBO das Gericht von Amts wegen in korrekter Weise die Anordnung einer Nacherbfolge zu berücksichtigen hat, zeigt den hohen Stellenwert der Rechte der Nacherben schon vor Eintritt des Nacherbfalles.
Rz. 50
Im Falle der Anordnung einer Nacherbfolge unter der Bedingung, dass der Vorerbe nicht letztwillig anderweitig über den ererbten Nachlass verfügt, darf die Eintragung des Nacherbenvermerks vor dem Tod des Vorerben grundsätzlich nicht unterbleiben. Denn erst mit dem Tod des Vorerben kann die Frage beantwortet werden, ob Nacherbfolge eingetreten ist.
Der einem Vorerben erteilte Erbschein bezeugt nicht das Erbrecht eines Nacherben.
Rz. 51
Ist nur für einen Miterben eine Nacherbfolge angeordnet, unterliegt dieser, wenn er die übrigen Erbanteile hinzuerwirbt, hinsichtlich eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks insgesamt den Beschränkungen des § 2113 BGB; bei seiner Eintragung als Grundstückseigentümer ist daher ein Nacherbenvermerk anzubringen.
Dazu der Bundesgerichtshof im Beschl. v. 12.7.2018 – V ZB 228/17, NJW 2018, 3650 = ZEV 2018, 657:
Zitat
"Ist nur für einen Miterben eine Nacherbfolge angeordnet, unterliegt dieser, wenn er die übrigen Erbanteile hinzuerwirbt, hinsichtlich eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks insgesamt den Beschränkungen des § 2113 BGB; bei seiner Eintragung als Grundstückseigentümer ist daher ein Nacherbenvermerk anzubringen…"
[Erläuterung der Entscheidung in NJW-Spezial 2018, 711]
2. Die Rechtswirkungen des Nacherbenvermerks
Rz. 52
Durch den Nacherbenvermerk werden der Nacherbe und dessen Erben vor Verfügungen des Vorerben geschützt, die ihm gegenüber unwirksam sind. Er ist keine Grundbuchsperre, Verfügungen des Vorerben werden eingetragen, da ein gutgläubiger Erwerb ausgeschlossen ist, solange der Nacherbenvermerk eingetragen bleibt.
Rz. 53
Grundsätzlich ist der Vorerbe bis zum Eintritt des Nacherbfalls berechtigt, über die zum Nachlass gehörenden Grundstücke zu verfügen. Zum Schutz der Rechte der Nacherben ist seine Verfügungsmacht jedoch beschränkt (§ 2112 BGB). Eine entgeltliche oder unentgeltliche Verfügung des Vorerben über ein Nachlassgrundstück oder ein Grundstücksrecht, das zum Nachlass gehört, ist im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde (§§ 2113, 2114 BGB). Die Unentgeltlichkeit einer Leistung ist nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen in dem Zeitpunkt zu beurteilen, in dem die jeweilige Leistung vorgenommen wurde.
Rz. 54
Der Nacherbenvermerk ist nicht rangfähig. Soll kenntlich gemacht werden, dass eine Eintragung dem Nacherben gegenüber wirksam geworden ist, geschieht dies durch Eintragung eines Wirksamkeitsvermerks beim Nacherbenvermerk.