Rz. 9
Damit der Notar weiß, ob er die Wartefrist des § 17 Abs. 2a S. 2 Nr. 2 BeurkG einzuhalten hat, bedarf es seiner zuverlässigen Einschätzung, ob auf der einen Seite des Kaufvertrags ein Unternehmer (§ 14 Abs. 1 BGB) beteiligt ist, der auf der anderen Seite auf einen Verbraucher (§ 13 BGB) trifft. Trifft ein Verbraucher auf einen Unternehmer, gleichgültig wer von ihnen auf welcher Seite des Vertrags steht, liegt ein Verbrauchervertrag i.S.v. § 310 Abs. 3 BGB vor.
Rz. 10
Zu beurteilen, wer Verbraucher und wer Unternehmer ist, kann schwierig sein, weil das Gesetz weder in § 13 BGB noch in § 14 Abs. 1 BGB auflistet, wer exakt als Verbraucher und wer als Unternehmer gilt.
Für die Vertragsbeteiligten und den Notar ist die exakte Einordnung der Verbraucher- bzw. Unternehmereigenschaft wichtig, weil eine unrichtige Einordnung dazu führen kann, dass bestimmte vertragliche Regelungen zwar vorgesehen, aber aufgrund der entgegenstehenden Vorschriften des AGB-Rechts (§§ 305 ff. BGB) nicht wirksam zu Lasten eines Verbrauchers vereinbart werden können.
Eine zutreffende Einordnung verhindert damit, dass eine Partei nicht ungewollt benachteiligt wird und die andere damit unerwünscht bevorzugt. Eine Fehleinschätzung könnte den Notar in die Verlegenheit bringen, versehentlich seine Neutralitätspflicht gegenüber den Parteien zu verletzen.
Rz. 11
Das folgende Beispiel zeigt, wie schwierig eine Beurteilung aus der Sicht des Notars sein kann:
Beispiel
Eine GmbH ist zu ½ Miteigentümerin einer Immobilie. Die weitere ½ Miteigentumshälfte gehört dem alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer dieser GmbH, der auch Rechtsanwalt ist. Die GmbH und ihr 100 %-Gesellschafter verkaufen die Immobilie an einen Käufer, ein Unternehmer i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB. Die Verkäuferin "GmbH" ist zweifellos ein gewerblich tätiges Unternehmen und kann nur als Unternehmerin eingestuft werden. Ob der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH, der Rechtsanwalt ist und die GmbH beherrscht und vertritt, nun als Verbraucher eingestuft werden kann oder als Unternehmer ist schwierig zu beurteilen.
Rz. 12
Verbraucher ist auch ein Rechtsanwalt, der mit einer Bank einen Kreditvertrag schließt, wenn dieser nicht mit der beruflichen Sphäre des Anwalts in Verbindung steht.
Konkret ist auf der Verkäuferseite beteiligt eine GmbH (50 % Miteigentumsanteil = 50 % gewerbliches Handeln) sowie eine natürliche Person, die wiederum wirtschaftlich zu 100 % mit der verkaufenden GmbH verflochten ist als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH, befreit von den Beschränkungen des § 181 Alt. 1 und 2 BGB.
Denkbar aber wenig wahrscheinlich ist es, abstrakt zwei Kaufverträge vorzunehmen; mit dem einen Vertrag würde die GmbH als gewerbliche Unternehmerin zu 100 % handeln und ihren ½ MEA dem Käufer, der Unternehmer ist, verkaufen und mit dem anderen Vertrag losgelöst davon die natürliche Person ihren ½ MEA an denselben Käufer. Für den anderen Vertrag könnte die natürliche Person theoretisch zu 100 % privat handeln, wenn ihr ½ MEA privat und weder der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden könnte.
Rz. 13
Durch die wirtschaftliche Verflechtung und vor allem durch den als rechtliche Einheit – § 139 BGB – anzusehenden Gesamtvorgang stehen zwar auf der Verkäuferseite dennoch zwei Personen, eine natürliche, die zumindest Verbraucher sein könnte und eine juristische, die zwingend Unternehmer ist. Beide Personen werden jedoch entscheidend zu 100 % vertreten und beeinflusst von derselben wirtschaftlich hinter dem Vertrag stehenden Person.
Damit stehen auf derselben verkaufenden Vertragsseite eine GmbH mit zwingender Unternehmereigenschaft und eine natürliche Person, bei der man nur max. 50 % Verbraucherhandeln annehmen könnte. Der einheitliche Vertrag könnte dann allenfalls als ein 50 % zu 50 % "Verbraucher-Unternehmer-Handeln" sein, bei dem kein Überwiegen des Verbraucherhandeln angenommen werden kann. Damit wäre eine Verbrauchereigenschaft zu verneinen und die Unternehmereigenschaft (§ 14 Abs. 1 BGB) zu bejahen.
Rz. 14
Bei der nach außen im Rechtsverkehr auftretenden GbR, deren Gesellschafter eine natürliche Person und eine juristische Person sind, nimmt der BGH an, dass unabhängig von der Frage, ob sie nur zu privaten und nicht gewerblichen oder selbstständig beruflichen Zwecken tätig ist, nicht Verbraucher i.S.d. § 13 BGB in der bis zum 13.6.2014 geltenden Fassung sein kann. Da sich faktisch nur selten ein Miteigentumsanteil isoliert an Dritte verkaufen lässt, könnte man gedanklich durch die Verbundenheit des Rechtsgeschäfts diese Gedankenlinie des Gerichts analog auf das Beispiel übertragen.
Andererseits wurde entschieden: Schließt eine natürliche Person ein Rechtsgeschäft objektiv zu einem Zweck ab, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann, so kommt eine Zurechnung entgegen dem mit dem rechtsgeschäftlichen Handeln objektiv verfolgten Zweck nur dann in Betracht, wenn die dem Vertrags...