Dr. Wolfgang Kürschner, Dr. iur. Holger Fahl
Rz. 43
Bei dem Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren nach den §§ 34 ff. SVertO handelt es sich um ein teilweise dem Insolvenzverfahren vergleichbares, besonders ausgestaltetes Vollstreckungsverfahren, das nicht der freiwilligen, sondern der streitigen Gerichtsbarkeit angehört. Die Funktion des Verteilungsverfahrens besteht darin, die Haftungssumme in möglichst gerechter Weise auf die Gläubiger zu verteilen und – anders als beim Insolvenzverfahren – den Zugriff der Gläubiger auf das übrige Vermögen des Schuldners zu verhindern. Das Verteilungsverfahren gliedert sich in ein Eröffnungsverfahren, ein Feststellungsverfahren und ein Verteilungsverfahren im engeren Sinn.
Rz. 44
Das Verfahren beginnt mit der Antragstellung durch den Schuldner (§ 35 SVertO), worauf das Gericht die Höhe der einzuzahlenden Haftungssumme festsetzt und das Verteilungsverfahren eröffnet. Der Eröffnungsbeschluss bewirkt materiell-rechtlich die Haftungsbeschränkung (§ 41, § 8 Abs. 1 SVertO). Nach Eröffnung des Verfahrens erlässt das Gericht ein Aufgebot, um die teilnahmeberechtigten Gläubiger festzustellen. In einem Prüfungstermin werden die angemeldeten Forderungen auf ihre Berechtigung hin überprüft und gegebenenfalls festgestellt. Anschließend erfolgt die Verteilung der Haftungssumme anteilig auf die festgestellten Ansprüche.
Rz. 45
Soweit die Vorschriften der Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung keine besondere Regelung enthalten, ist auf die Bestimmungen der ZPO zurückzugreifen (§ 34 Abs. 2, § 3 Abs. 1 SVertO). Zuständig sind nach § 37 Abs. 1 SVertO die Amtsgerichte. Von den in Abs. 3 und 4 der Vorschrift enthaltenen gesetzlichen Ermächtigungen, die binnenschifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren einem Gericht zuzuweisen, haben die Landesregierungen bisher keinen Gebrauch gemacht. Zu Recht hat demgegenüber der 48. Deutsche Verkehrsgerichtstag 2010 empfohlen, die Zuständigkeit für Binnenschifffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren auf ein einziges oder wenige Schifffahrtsgerichte in Deutschland zu konzentrieren.
Rz. 46
Zwar findet die Berücksichtigung von gemäß § 5f Abs. 2 BinSchG privilegierten Ansprüchen wegen der Beschädigung von Hafenanlagen erst im Verteilungsverfahren statt. Davon unabhängig kann indessen ein Gläubiger – ähnlich wie im Insolvenzverfahren – (auch) die Frage des Vorrangs einer zur Tabelle angemeldeten, aber bestrittenen Forderung zum Gegenstand seiner Feststellungsklage machen. Gemäß § 5f Abs. 2 BinSchG haben bei der Befriedigung aus dem Haftungshöchstbetrag Ansprüche wegen Beschädigung von Hafenanlagen, Hafenbecken (u.a.) den Vorrang.
Rz. 47
Die Privilegierung gilt auch für private Betreiber solcher Anlagen. Als privilegierende Ausnahmevorschrift ist die Norm jedoch eng auszulegen. Sie erfasst nach ihrem Sinn und Zweck nur Ansprüche auf Ersatz des unmittelbaren Schadens, das heißt der reinen Substanzsachschäden, nicht aber weitergehende Ansprüche, die einem geschädigten Eigentümer im Zusammenhang mit der Beschädigung entstehen können. Nicht erfasst werden damit mittelbare Schäden, sog. Vermögensfolgeschäden, das heißt Schadenspositionen wie Nutzungsausfall, Betriebsunterbrechungsschäden oder Expertenkosten.