Rz. 30
Gegenstand einer einstweiligen Verfügung kann auch der Anspruch des Arbeitnehmers auf Lohn- oder Gehaltszahlung sein. Hier wird wiederum der Sicherungszweck der §§ 935, 940 ZPO überschritten. Die beantragte einstweilige Verfügung führt zu einer Befriedigung des Gläubigers. Deshalb müssen die besonderen Voraussetzungen der Leistungsverfügung insbesondere im Hinblick auf den Verfügungsgrund erfüllt sein.
Rz. 31
Zunächst ist zu berücksichtigen, dass sich die von dem Arbeitnehmer beantragte Maßnahme auf eine Geldforderung bezieht, deren Sicherung dem Arrest nach § 916 ZPO vorbehalten bleibt. Arrest und einstweilige Verfügung sind weder austauschbar noch überschneiden sie sich in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich; sie schließen sich vielmehr gegenseitig aus.
Rz. 32
Soweit der Antrag des Arbeitnehmers allein darauf gerichtet ist, seinen Vergütungsanspruch abzusichern, weil sonst die Vollstreckung des Urteils in der Hauptsache vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, kommt nur die Anordnung eines Arrestes unter den Voraussetzungen der §§ 917 f. ZPO in Betracht. Ein Verfügungsantrag müsste als unzulässig zurückgewiesen werden. Das weitergehende Ziel, die Forderung nicht lediglich zu sichern, sondern durchzusetzen, weil der Arbeitnehmer auf die Auszahlung der ihm zustehenden Arbeitsvergütung dringend angewiesen ist, lässt sich nur über den Weg der Leistungsverfügung erreichen.
Rz. 33
Dennoch ist auch eine Kombination beider Anträge nicht völlig ausgeschlossen: Wenn etwa der Arbeitnehmer aus einem Zahlungsurteil im Ausland vollstrecken müsste (Arrestgrund nach § 917 Abs. 2 S. 1 ZPO) und er zugleich dringend auf die Lohnzahlung zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes angewiesen ist, kann er in Höhe des Notbedarfs eine einstweilige Verfügung, im Übrigen wegen seiner weitergehenden Forderung einen dinglichen oder persönlichen Arrest beantragen.
Rz. 34
Der Arrest- und der Verfügungsanspruch stimmen überein. Voraussetzung ist ein fortbestehendes Arbeitsverhältnis, das von dem Arbeitnehmer glaubhaft gemacht werden muss. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis gekündigt ist und die Arbeitsvergütung für einen Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist verlangt wird. Der Verfügungsanspruch ist nur begründet, wenn die Kündigung unwirksam ist und die Voraussetzungen des Annahmeverzuges (§ 615 S. 1 BGB) erfüllt sind.
Rz. 35
Der Fortbestand des (bestrittenen) Arbeitsverhältnisses lässt sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zuverlässig und abschließend feststellen. Für den Verfügungsanspruch wird es zwar im Allgemeinen ausreichen, wenn der Kündigungsschutzklage erstinstanzlich stattgegeben worden ist. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer allerdings mit dem Einwand rechnen, dass es an einem Verfügungsgrund fehle, weil und soweit er den Kündigungsschutzantrag mit einer Zahlungsklage hätte verbinden können.
Rz. 36
Im Übrigen aber kommt dem Arbeitnehmer auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zugute, dass der Arbeitgeber im Hinblick auf eine von ihm erklärte ordentliche Kündigung des (kündigungsgeschützten) Arbeitsverhältnisses nach § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen trägt, die die Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial rechtfertigen. Entsprechendes gilt für die Voraussetzungen außerordentlicher Kündigung nach § 626 Abs. 1 und 2 BGB. Trägt der Arbeitgeber erhebliche Kündigungsgründe substantiiert vor, genügt es für den Verfügungsgrund, wenn der Arbeitnehmer sie hinreichend entkräftet und glaubhaft macht, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit für den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses spricht.
Rz. 37
Da die auf Zahlung von Arbeitslohn gerichtete Leistungsverfügung über den eigentlichen Sicherungszweck des § 940 ZPO hinaus geht und zu einer (zumindest vorübergehenden) Befriedigung führt, sind an den Verfügungsgrund strenge Anforderungen zu stellen. Der Arbeitnehmer muss auf die geltend gemachte Arbeitsvergütung dringend angewiesen sein, um seinen notwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dies setzt voraus, dass er sich in einer finanziellen Notlage befindet und ihm andere Mittel, sonstige Einkünfte, Vermögenserträge, Unterhaltsleistungen, Ersparnisse nicht zur Verfügung stehen.
Rz. 38
Um die Notlage zu überbrücken, braucht der Arbeitnehmer keinen Kredit aufzunehmen. Andererseits muss er Darlehensmittel, die ihm bereits zur Verfügung stehen, einsetzen. An einem Verfügungsgrund fehlt es jedenfalls, wenn anzunehmen ist, dass die mit der Leistungsverfügung geltend gemachte Zahlung dazu dienen soll, den Kredit zurückzuzahlen.
Rz. 39
Bezieht der Arbeitnehmer bereits Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe, muss er sich darauf verweisen lassen. Andererseits ist es ihm nicht zuzumuten, zunächst Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe zu beantragen. Für das Sozialhilferecht gilt das Subsidiaritätsprinzip, das nach §§ 156 f. SGB III auch auf die Leistungen der Arbeitslosenversicherung Anwendung findet.
Rz. 40
Mit der Leistungsver...