Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
a) Kündigung in der Probezeit
Rz. 931
Das Berufsausbildungsverhältnis, § 10 Abs. 1 BBiG, beginnt mit einer Probezeit, die mindestens einen Monat beträgt, § 20 BBiG. Diese Bestimmung ist zwingend. Es liegt zwar nach § 13 BBiG ein einheitliches Berufsausbildungsverhältnis vor, das aber kündigungsrechtlich unterschiedlich ausgestaltet ist.
Rz. 932
Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis von dem Ausbildenden und dem Auszubildenden ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, § 22 Abs. 1 BBiG. Einer Begründung oder eines Grundes bedarf eine solche Kündigung nicht (BAG v. 8.3.1977 – 4 AZR 700/76, DB 1977, 1322).
Rz. 933
Ein Berufsausbildungsverhältnis kann darüber hinaus während der Probezeit auch unter Zubilligung einer Auslauffrist nach § 22 Abs. 1 BBiG wirksam ordentlich gekündigt werden. Die Auslauffrist muss allerdings so bemessen sein, dass sie nicht zu einer unangemessen langen Fortsetzung des Berufsausbildungsvertrages führt, der nach dem endgültigen Entschluss des Kündigenden nicht bis zur Beendigung der Ausbildung durchgeführt werden soll (BAG v. 10.11.1988 – 2 AZR 26/88, NZA 1989, 268).
Rz. 934
Ein Berufsausbildungsverhältnis kann entsprechend § 22 Abs. 1 BBiG bereits vor Beginn der Berufsausbildung von beiden Vertragspartnern ordentlich entfristet gekündigt werden, wenn die Parteien keine abweichende Regelung vereinbart haben und sich der Ausschluss der Kündigung vor Beginn der Ausbildung für den Ausbilder auch nicht aus den konkreten Umständen ergibt (BAG v. 17.9.1987 – 2 AZR 654/86, DB 1988, 1454).
Rz. 935
Zu beachten ist das Schriftformgebot des § 22 Abs. 3 BBiG. Die Kündigung während der Probezeit hat schriftlich zu erfolgen.
Rz. 936
Nicht ausdrücklich geregelt ist die Frage der Kündigungsmöglichkeit eines Berufsausbildungsverhältnisses in der Insolvenz. Zu § 22 KO (a.F.) hat die Rspr. für das Ausbildungsverhältnis die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung im Konkurs bejaht, wobei im Hinblick auf das Fehlen einer gesetzlichen Kündigungsfrist i.S.d. § 22 Abs. 1 KO (a.F.) in entsprechender Anwendung des § 622 BGB die Kündigungsfrist einzuhalten ist, die für das Arbeitsverhältnis gelten würde, wenn die Ausbildung zum erstrebten Beruf geführt hätte (BAG v. 27.5.1993 – 2 AZR 601/92, DB 1993, 2082). Im Anwendungsbereich des nunmehr durch Art. 6 des ArbBeschFG vom 26.9.1996 in Kraft getretenen § 113 Abs. 1 InsO ist davon auszugehen, dass das Ausbildungsverhältnis nicht außerordentlich gekündigt werden kann, sondern nur unter Beachtung der nunmehr im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende. Voraussetzung für die Kündigung muss allerdings sein, dass tatsächlich eine Ausbildungsmöglichkeit nicht mehr besteht, wie im Fall der Betriebsstilllegung. Wird der Betrieb dagegen teilweise weitergeführt oder geht er auf einen Erwerber über, fällt die Ausbildungsmöglichkeit nicht weg, und damit kann der Berufsausbildungsvertrag erfüllt werden, sodass kein Raum für eine Kündigung bleibt.
b) Außerordentliche Kündigung
Rz. 937
Nach dem Ablauf der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis vom Ausbildenden nur noch aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist außerordentlich gekündigt werden. Die ordentliche Kündigung ist dann ausgeschlossen (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG).
Rz. 938
Die außerordentliche Kündigung hat schriftlich zu erfolgen und muss unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen, § 22 Abs. 3 BBiG. Die Angabe der Kündigungsgründe im Kündigungsschreiben ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die außerordentliche Kündigung eines Berufsausbildungsvertrages. Fehlt es daran, ist die Kündigung nichtig. Der Kündigende muss in dem Kündigungsschreiben die Tatsachen mitteilen, die für die Kündigung maßgebend sind. Werturteile wie "mangelhaftes Benehmen" oder "Störung des Betriebsfriedens" genügen nicht. Bei solchen Bezeichnungen der Kündigungsgründe ist die Kündigung nichtig. Das BAG lässt eine Verdachtskündigung auch im Ausbildungsverhältnis zu: Der dringende Verdacht einer schweren Pflichtverletzung kann die außerordentliche Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses rechtfertigen (BAG v. 12.2. 2015 – 6 AZR 845/13).
Der Kündigende kann die kündigungsbegründenden Umstände, die er im Kündigungsschreiben nicht selbst aufgeführt hat, im nachfolgenden Kündigungsschutzprozess selbst dann nicht mit prozessualer Wirkung geltend machen, wenn diese Umstände bereits vor Ausspruch der Kündigung entstanden waren, dem Kündigenden aber erst nach Ausspruch der Kündigung bekannt geworden sind (LAG Baden-Württemberg v. 5.1.1990 – 1 Sa 23/89, DB 1990, 588).
Rz. 939
Ist der Auszubildende minderjährig, kann der Ausbildende eine außerordentliche Kündigung grds. nur ggü. dem gesetzlichen Vertreter des Minderjährigen wirksam erklären. Diesem sind auch die Tatsachen mitzuteilen, die die Kündigung begründen sollen. Es reicht nicht aus, wenn dem Minderjährigen selbst die Kündigungsgründe bekannt gegeben werden (BAG v. 25.11.1976 – 2 AZR 751/75, DB 1977, 868).
Rz. 940
Der wichtige Grund des § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG ist unter Berücksichtigung d...