Rz. 530

Wendet sich der Arbeitnehmer eigenmächtig an die Presse oder erhebt er in der Öffentlichkeit unzutreffende Vorwürfe gegen seinen Arbeitgeber, kann darin eine Verletzung der Treuepflicht liegen, die in schweren Fällen sogar eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann (BAG v. 13.4.2000 – 2 AZR 259/99, DB 2000, 1819 = MDR 2000, 1384; BAG v. 11.3.1999, BB 1999, 1166). Dies kann bei einem Mitarbeiter mit Leitungsposition der Fall sein, der aus Anlass eines Wechsels seines Vorgesetzten mit falschen Verdächtigungen in die Öffentlichkeit geht und die Konfrontation sucht, statt um Zusammenarbeit bemüht zu sein. Die gleichen Grundsätze dürften gelten, wenn ein Arbeitnehmer sog. Social Media wie Facebook, Xing oder Twitter dazu nutzt, unzutreffende Vorwürfe gegen seinen Arbeitgeber zu erheben.

Zwar fällt die Veranlassung einer Presseveröffentlichung unter den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 GG (BAG v. 5.12.2019 – 2 AZR 240/19, Rn 83; vgl. BGH v. 19.4.2005 – X ZR 15/04, zu II 7 b aa (1) bis (3) der Gründe). Die Meinungsfreiheit schützt Äußerungen in ihrer Verbreitungs- und Wirkungsdimension (BAG v. 5.12.2019 – 2 AZR 240/19, Rn 83). Vom Schutz umfasst ist das Recht des Äußernden, das Verbreitungsmedium frei zu bestimmen (BAG v. 5.12.2019 – 2 AZR 240/19, Rn 83). Deshalb muss auch die Frage, ob der mit der Information der Presse Drohende sich eines rechtmäßigen oder eines rechtswidrigen Mittels bedient, im Lichte dieses Grundrechts beurteilt werden (BAG v. 5.12.2019 – 2 AZR 240/19, Rn 83). Eine Medienkampagne im Vorfeld oder am Rande einer gerichtlichen Auseinandersetzung ist in den Grenzen des Ehrenschutzes erlaubt (BAG v. 5.12.2019 – 2 AZR 240/19, Rn 83; vgl. BVerfG v. 17.12.2002 – 1 BvR 755/99, 1 BvR 765/99, zu III 1 b der Gründe; BGH v. 16.11.2004 – VI ZR 298/03, zu II 1 b der Gründe). Wahre Tatsachen, auch wenn sie einen privaten Rechtsstreit betreffen, darf die Presse veröffentlichen (BAG v. 5.12.2019 – 2 AZR 240/19, Rn 83). Man darf sie daher auch der Presse mitteilen (BAG v. 5.12.2019 – 2 AZR 240/19, Rn 83). Ein Informant der Presse kann grundsätzlich nicht mit negativen Sanktionen bedroht werden, wenn die Presse selbst von Haftung frei ist (BAG v. 5.12.2019 – 2 AZR 240/19, Rn 83). Auch die bloße Drohung, die Presse zu informieren, ist dann, für sich betrachtet, erlaubt (BAG v. 5.12.2019 – 2 AZR 240/19, Rn 83; BGH v. 19.4.2005 – X ZR 15/04, zu II 7 b aa (3) (a) der Gründe). Allerdings ist zu beachten, dass eine Einschaltung der Medien auch unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB darstellen kann, wenn es innerbetrieblich Lösungsansätze gibt, die noch nicht abgeschlossen sind (BAG v. 5.12.2019 – 2 AZR 240/19, Rn 84; zur Erstattung von Strafanzeigen trotz bestehender innerbetrieblicher Klärungsmöglichkeiten vgl. BAG v. 15.12.2016 – 2 AZR 42/16, Rn 14, 20).

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