Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 76
Für die Frage, ob der betriebliche Anwendungsbereich des KSchG eröffnet ist, kommt es auf die Zahl der i.d.R. beschäftigten Arbeitnehmer an. Maßgebend ist dabei die Beschäftigtenzahl im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, nicht hingegen diejenige zu dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis beendet wird (BAG v. 24.2.2005 – 2 AZR 373/03, NZA 2005, 764). Entscheidend ist die Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer bei normaler Betriebstätigkeit (ErfK/Kiel, § 23 KSchG Rn 14). Sinn dieser gesetzlichen Regelung ist es, auf die Beschäftigungslage abzustellen, die im Allgemeinen für den Betrieb kennzeichnend ist, während die zufällige tatsächliche Beschäftigtenzahl zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs unbeachtlich sein soll (BAG v. 31.1.1991 – 2 AZR 356/90, AP Nr. 11 zu § 23 KSchG). Ermittelt wird diese für den Betrieb übliche Anzahl von Arbeitnehmern durch einen Rückblick auf die personelle Situation in der Vergangenheit unter Einbeziehung der künftigen Entwicklung (BAG v. 31.1.1991 – 2 AZR 356/90, AP Nr. 11 zu § 23 KSchG; BAG v. 22.1.2004 – 2 AZR 237/03, NZA 2004, 479). Somit kommt es nicht auf die Anzahl der Mitarbeiter an, die am Tag des Zugangs der Kündigung zufällig beschäftigt sind. Vielmehr sind u.a. auch die vom Arbeitgeber gleichzeitig oder in zeitlichem Zusammenhang gekündigten Arbeitnehmer bei der Ermittlung der Anzahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Auch der gekündigte Arbeitnehmer selbst ist stets mitzuzählen, selbst wenn der Arbeitgeber sich entschieden hat, den bis dahin vom gekündigten Arbeitnehmer besetzten Arbeitsplatz nicht neu zu besetzen oder den Betrieb gar ganz stillzulegen (BAG v. 22.1.2004 – 2 AZR 237/03, NZA 2004, 479).
Das BAG hat hierzu ausgeführt, die Betriebseinschränkung führe nur dazu, dass künftig eine andere, regelmäßige Arbeitnehmerzahl gegeben sein solle. Im Kündigungszeitpunkt bleibe jedoch für den Betrieb noch die bisherige Beschäftigtenzahl kennzeichnend, da nicht absehbar sei, ob die Unternehmerentscheidung, die der Kündigungsabsicht zugrunde liege, sich tatsächlich auch verwirklichen lasse, insb. also die beabsichtigten Kündigungen wirklich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (BAG v. 22.1.2004 – 2 AZR 237/03, NZA 2004, 479, 480). Bei der Berechnung des Schwellenwerts nach § 23 KSchG sei die Rechtsprechung – ohne dies besonders zu problematisieren – als selbstverständlich davon ausgegangen, dass bei einer beabsichtigten Betriebseinschränkung oder Betriebsstilllegung die zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmer bei der Berechnung der "in der Regel Beschäftigten" mit zu berücksichtigen seien. Es würde dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung eklatant widersprechen, wenn sich der Arbeitgeber durch den bloßen Entschluss, wegen Betriebseinschränkung bzw. Betriebsstilllegung einzelnen oder allen Arbeitnehmern zu kündigen, der Überprüfung der entsprechenden Kündigungen am Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes entziehen könnte (BAG v. 22.1.2004 – 2 AZR 237/03, NZA 2004, 479, 480). I.R.d. § 23 Abs. 1 KSchG könne kein anderer Maßstab gelten als bei den vergleichbaren Regelungen der §§ 17 ff. KSchG und 111 ff. BetrVG. Dort sei anerkannt, dass bei der Betriebsstilllegung und der Betriebseinschränkung nur der Rückblick auf die bisherige Beschäftigtenzahl zur Berechnung des Schwellenwerts maßgeblich sei (BAG v. 8.7.1989 – 2 AZR 624/88, AP KSchG 1969 § 17 Nr. 6).
Die Nichtberücksichtigung des gekündigten Mitarbeiters bzw. der gekündigten Mitarbeiter würde auch zu dem kaum mehr vertretbaren Ergebnis führen, dass schon bei der Berechnung des Schwellenwerts nach § 23 Abs. 1 KSchG die Sozialwidrigkeit der Kündigung inzident geprüft werden müsste, denn eine sozialwidrige Kündigung, die zum Verlust des Kündigungsschutzprozesses durch den Arbeitgeber führe, sei jedenfalls nicht geeignet, die für den Betrieb kennzeichnende Beschäftigtenzahl abzusenken (BAG v. 22.1.2004 – 2 AZR 237/03, NZA 2004, 479, 481).
Rz. 77
Bei der Ermittlung der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer werden Aushilfen, die zur Vertretung von erkrankten Arbeitnehmern oder zur Bewältigung eines vorübergehenden erhöhten Arbeitsbedarfes eingestellt worden sind, nicht mitgezählt. Umgekehrt ist es unerheblich, wenn wegen eines kurzfristigen Auftragsrückganges vorübergehend mit einer geringeren Arbeitnehmerzahl gearbeitet wird (Küttner/Eisemann, Kündigungsschutz Rn 55).
Im Hinblick auf Arbeitsverhältnisse, die nur vorübergehend ruhen, etwa aufgrund von Zivil-, Wehrdienst oder Mutterschaft, gilt der Rechtsgedanke des § 21 Abs. 7 BEEG (BAG v. 31.1.1991 – 2 AZR 356/90, AP Nr. 11 zu § 23 KSchG). Mit dieser Bestimmung wird sichergestellt, dass bei der Ermittlung der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmer nur der Elternzeitberechtigte oder die für ihn eingestellte Ersatzkraft mitgezählt wird, wenn die Anwendung arbeitsrechtlicher Gesetze von der Zahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abhängt (BAG v. 31.1.1991 – 2 AZR 356/90, AP Nr. 11 zu § 23 KSchG). Der Arbeitnehmer im ruhende...