Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 1061
Nach § 17 MuSchG der neuen Fassung ist die Kündigung ggü. einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von 4 Monaten nach der Entbindung unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zzt. der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Auf der Grundlage der Entscheidung des BVerfG v. 13.11.1979 – 6 AZR 934/77, EzA § 9 MuSchG n.F. Nr. 17) ist das Überschreiten der Mitteilungsfrist unschädlich, wenn es auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird (allgemein zum Mutterschutz siehe § 21 Rdn 1274 ff.). Die Regelungen zum besonderen Kündigungsschutz bleiben auch nach der Reformierung des MuSchG bestehen. Damit ist weiterhin die Kündigung einer Frau während einer Schwangerschaft und bis zum Ablauf einer viermonatigen Schutzfrist unzulässig, es sei denn, sie wird von der zuständigen Arbeitsschutzbehörde vorher für zulässig erklärt. Zusätzlich gilt das Kündigungsverbot zukünftig auch für Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben. Diese haben bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Fehlgeburt Kündigungsschutz, wenn die Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche eintritt.
Durch die Novellierung des MuSchG sind aber für den Sonderkündigungsschutz folgende Neuerungen zu beachten: Die Regelung des Kündigungsschutzes für werdende Mütter ist nunmehr in § 17 MuSchG enthalten. Die Kündigung einer Frau ist unzulässig während der Schwangerschaft bis zum Ablauf von vier Monaten nach einer Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche und bis zum Ende ihrer Schutzfrist nach der Entbindung, mindestens jedoch bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung; wenn dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft, die Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche oder die Entbindung bekannt ist oder wenn sie ihm innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird, § 17 Abs. 1 S. 1 MuSchG. Die Kündigung bedarf der Schriftform und muss nach einer Zulässigkeitserklärung durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde den Kündigungsgrund angeben, § 17 Abs. 2 KSchG.
Das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot ist damit in zweifacher Hinsicht erweitert worden: Ausweitung auf Fehlgeburten und Ausweitung auf Vorbereitungsmaßnahmen. Der Kündigungsschutz galt bisher nur bei Totgeburten, nicht aber bei Fehlgeburten. Dies ist jetzt geändert. Auch in diesen Fällen ist nunmehr die Kündigung nach der Fehlgeburt unzulässig, § 17 Abs. 1 Nr. 2 MuSchG.
Besondere Beachtung muss aber die Erweiterung auf sog. Vorbereitungsmaßnahmen des AG finden. Ergreift der Arbeitgeber derartige Vorbereitungsmaßnahmen während des Sonderkündigungsschutzes, ist die Kündigung nach § 134 BGB nichtig. Dies führt zu einer Verlängerung des Sonderkündigungsschutzes. Nicht definiert hat der Gesetzgeber, was unter Vorbereitungsmaßnahmen zu verstehen ist. Im Rückgriff auf die sog. Paquay-Entscheidung des EuGH (EuGH v. 11.10.2007 – Rs. C-460/06) wäre bereits die Suche und Planung eines endgültigen Ersatzes für die schwangere oder stillende Frau während des Sonderkündigungsschutzes unzulässig. Dabei ist aber der Anwendungsbereich des § 17 Abs. 1 S. 3 MuSchG auf solche Vorbereitungshandlungen des Arbeitgebers zu beschränken, die zielgerichtet auf das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin bezogen sind. Die genaue Klärung durch die Rspr. bleibt insoweit abzuwarten.
Rz. 1062
Die werdende Mutter soll während der Schwangerschaft und einer bestimmten Zeit nach der Entbindung trotz möglicherweise einsetzenden Leistungseinschränkungen oder Arbeitsunfähigkeit nicht um den Verlust des Arbeitsplatzes fürchten müssen. Das MuSchG ordnet deshalb ein absolutes, allerdings nur temporäres Kündigungsverbot an. Das BVerfG hat durch Urt. v. 24.4.1991 (1 BvR 1341/90, NJW 1991, 1667) die Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Öffentlichen Dienst durch den Einigungsvertrag wegen Verstoßes gegen die Art. 6 Abs. 4 GG und Art. 12 Abs. 1 für nichtig erklärt, soweit Kündigungsvorschriften des MuSchG durchbrochen wurden. Das Kündigungsverbot des § 17 Abs. 1 MuSchG besitzt damit eine unmittelbare verfassungsrechtliche Legitimation.