Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 439
Die beharrliche Arbeitsverweigerung bzw. beharrliche Weigerung, seinen vertraglichen Pflichten nachzukommen, setzt eine besondere Nachhaltigkeit oder Widersetzlichkeit voraus, also wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten bewusst und nachhaltig nicht erfüllen will (BAG v. 28.6.2018 – 2 AZR 436/17, Rn 16), wobei es nicht genügt, dass der Arbeitnehmer eine Weisung unbeachtet lässt, sondern es muss sich um eine intensive Weigerung des Arbeitnehmers handeln (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn 29; BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, Rn 29; BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 54/12, Rn 39; BAG v. 24.2.2011 – 2 AZR 636/09, Rn 15, BAGE 137, 164; BAG v. 31.1.1985, AP Nr. 6 zu § 8a MuSchG 1968; BAG v. 12.7.1984, AP Nr. 32 zu § 102 BetrVG 1972; LAG München v. 19.1.1989 und LAG Berlin v. 17.5.1993, LAGE § 626 BGB Nr. 38 und 72).
Rz. 440
Das Moment der Beharrlichkeit kann auch erfüllt sein, wenn der Arbeitnehmer eine konkrete Anweisung nicht befolgt, obwohl ihm durch eine vorhergehende Abmahnung verdeutlicht worden ist, dass er bei deren Nichtbefolgung mit der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechnen muss. Durch eine vorherige Abmahnung wird dem Argument des Arbeitnehmers begegnet, er habe angenommen, zu dieser Arbeitsleistung nicht verpflichtet zu sein und nicht damit rechnen zu müssen, dass der Arbeitgeber sein ablehnendes Verhalten zum Anlass für eine Kündigung nehmen würde.
Rz. 441
Maßgebend für die Frage, ob der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet ist, sein Verhalten eine beharrliche Arbeitsverweigerung und damit eine erhebliche Vertragspflichtverletzung darstellt, ist die objektive Rechtslage (BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn 29; BAG v. 19.1.2016 – 2 AZR 449/15, Rn 29; BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, Rn 32).
Rz. 442
Der Arbeitnehmer kann sich einem vertragsgemäßen Verlangen des Arbeitgebers auch nicht dadurch – vorläufig – entziehen, dass er ein gerichtliches Verfahren zur Klärung der umstrittenen Frage einleitet (BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, Rn 32). Andernfalls würde das Weisungsrecht des Arbeitgebers – ggf. über Jahre – in nicht gerechtfertigter Weise eingeschränkt (BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, Rn 32).
Rz. 443
Verweigert der Arbeitnehmer die Erfüllung einer arbeitsvertraglichen Pflicht in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat er grundsätzlich selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als fehlerhaft erweist (BAG v. 28.6.2018 – 2 AZR 436/17, Rn 16; BAG v. 14.12.2017 – 2 AZR 86/17, Rn 29; BAG v. 19.1.2016 – 2 AZR 449/15, Rn 29; BAG v. 22.10.2015 – 2 AZR 569/14, Rn 22; BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, Rn 32). Dabei sind an die zu beachtenden Sorgfaltspflichten strenge Maßstäbe anzulegen (BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, Rn 34; BAG v. 12.11.1992 – 8 AZR 503/91, zu I 1 der Gründe, BAGE 71, 350). Es reicht nicht aus, dass sich die betreffende Partei ihre eigene Rechtsauffassung nach sorgfältiger Prüfung und sachgemäßer Beratung gebildet hat. Unverschuldet ist ein Rechtsirrtum nur, wenn sie mit einem Unterliegen im Rechtsstreit nicht zu rechnen brauchte (BAG v. 29.8.2013 – 2 AZR 273/12, Rn 34; vgl. auch BGH v. 6.12.2006 – IV ZR 34/05, zu II 1 a aa der Gründe; BGH v. 27.9.1989 – IVa ZR 156/88).
Rz. 444
Rz. 445
Das Weisungsrecht des Arbeitgebers kann durch den Einzelarbeitsvertrag, durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung eingeschränkt oder erweitert werden. Bei der Ausübung der ihm eingeräumten Weisungskompetenz muss der Arbeitgeber den Grundsatz des billigen Ermessens i.S.v. § 106 S. 1 GewO beachten. Der Arbeitnehmer muss den Weisungen des Arbeitgebers nur dann nachkommen, wenn diese auch die "inneren" Grenzen des Direktionsrechts des Arbeitgebers wahren. Nach § 106 S. 1 GewO, § 315 BGB besteht grundsätzlich keine auch bloß vorläufige Bindung des Arbeitnehmers an "lediglich" unbillige Weisungen (BAG v. 28.6.2018 – 2 AZR 436/17, Rn 18; BAG v. 18. 10.2017 – 10 AZR 330/16, Rn 63).