Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 68
Der Schwellenwert für Arbeitnehmer, die bereits am 31.12.2003 bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt waren, ist unverändert, d.h. es müssen mehr als fünf Arbeitnehmer dem Betrieb angehören. Diese Regelung gilt dauerhaft und ist nicht nur auf einen Übergangszeitraum beschränkt. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass die ab dem 1.1.2004 erfolgten Neueinstellungen bei der Feststellung der Schwellenzahl i.S.v. § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG so lange nicht berücksichtigt werden dürfen, bis eine Anzahl von zehn Arbeitnehmern erreicht ist. Es ist jedoch für die Anwendung des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG unerheblich, ob ein Arbeitnehmer am 31.12.2003 seine Wartezeit vollendet hatte (Bader, NZA 2004, 65, 67; Löwisch, BB 2004, 154, 161). Für Arbeitnehmer, die bereits am 31.12.2003 beschäftigt waren, ergeben sich infolgedessen folgende Konsequenzen:
Rz. 69
Im Betrieb waren am 31.12.2003 fünf oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt:
Nach der Regelung des § 23 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 KSchG können diese Arbeitnehmer erst dann den allgemeinen Kündigungsschutz beanspruchen, wenn infolge von Neueinstellungen, die nach dem 31.12.2003 erfolgt sind, der Schwellenwert von zehn Arbeitnehmern überschritten wird.
Rz. 70
Im Betrieb waren am 31.12.2003 mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt:
Die Arbeitnehmer genießen den allgemeinen Kündigungsschutz unabhängig von Neueinstellungen, solange mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt werden, die bereits am 31.12.2003 beschäftigt gewesen sind, einschließlich ruhender Arbeitsverhältnisse.
Der abgesenkte Schwellenwert des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG kann allerdings auch dann maßgeblich sein, wenn es nach dem 31.12.2003 zwar rechtliche Unterbrechungen des zuvor begründeten Arbeitsverhältnisses gegeben hat, der Arbeitnehmer aber – zusammen mit einer ausreichenden Anzahl anderer "Alt-Arbeitnehmer" – ununterbrochen in den Betrieb eingegliedert war (BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 54/12, Ls.). Mit Blick auf die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ist von einem "ununterbrochenen" Arbeitsverhältnis auch dann auszugehen, wenn innerhalb des Sechsmonatszeitraums zwar zwei oder mehr Arbeitsverhältnisse liegen, diese aber ohne zeitliche Unterbrechung unmittelbar aufeinanderfolgen (BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 54/12, Rn 20). Selbst in Fällen, in denen es an einer nahtlosen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses fehlt, kann die rechtliche Unterbrechung unschädlich sein, wenn die Dauer der tatsächlichen Unterbrechung verhältnismäßig kurz ist und zwischen den aufeinanderfolgenden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang besteht (BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 54/12, Rn 20; BAG v. 7.7.2011 – 2 AZR 476/10, Rn 19, 29; grundlegend: BAG v. 23.9.1976 – 2 AZR 309/75, zu I 2 der Gründe, BAGE 28, 176; vgl. auch oben Rdn 42 f.).
Rz. 71
Diese Grundätze sind auf die Regelung des § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG zu übertragen (BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 54/12, Rn 21; Bender/Schmidt, NZA 2004, 358, 359; Hanau, ZIP 2004, 1169, 1179; Kock MDR 2007, 1109). Der Beginn des aktuellen Arbeitsverhältnisses i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG liegt in Fällen einer rechtlichen Unterbrechung am Beginn eines vorangehenden Arbeitsverhältnisses, wenn die tatsächliche Beschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb ohne relevante Zäsur geblieben und dort sowohl vor als auch nach der Unterbrechung die erforderliche Anzahl von "Alt-Arbeitnehmern" beschäftigt ist (BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 54/12, Rn 21). Dies gilt auch, wenn die Unterbrechung mit einem Wechsel des Arbeitgebers verbunden ist, sofern die Identität des "virtuellen Altbetriebs" (BT-Drucks 15/1204, 14) und die Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zu diesem Betrieb gewahrt geblieben sind (BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 54/12, Rn 21). Dieses Verständnis ist vom Wortlaut der Vorschrift gedeckt und nach Sinn und Zweck des Gesetzes geboten (BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 54/12, Rn 21). Das Gesetz will den zum "virtuellen Altbetrieb" gehörenden Arbeitnehmern den Kündigungsschutz erhalten, solange der Personalbestand des "Altbetriebs" dafür ausreichend groß bleibt (BAG v. 23.5.2013 – 2 AZR 54/12, Rn 21).
Rz. 72
Sinkt die Beschäftigtenzahl auf fünf oder weniger Arbeitnehmer ab, verlieren die Arbeitnehmer ihren Kündigungsschutz nach § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG. Fraglich ist in einem solchen Fall, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn später wieder mehr Arbeitnehmer beschäftigt werden und der (frühere) Schwellenwert von fünf Arbeitnehmern überschritten wird. Man könnte erwägen, den Kündigungsschutz wieder aufleben zu lassen. Dies ist jedoch nicht mit § 23 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 KSchG vereinbar. Danach sind Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis erst nach dem 31.12.2003 begonnen hat, bei der Feststellung der Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer nach S. 2 erst bei Überschreiten des Schwellenwertes von zehn Arbeitnehmern zu berücksichtigen. Dies gilt auch für solche Arbeitnehmer, deren Einstellung nach Absinken der Arbeitnehmerzahl auf fünf oder weniger Arbeitnehmer dazu führt, dass der Schwellenwert wieder überschritten wird. Arbeitnehmer, die bereits am 31.12.2003...