Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 711
Nach der st. Rspr. des BAG bestimmt sich der Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer, die in die soziale Auswahl einzubeziehen sind, in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit (BAG v. 5.6.2008 – 2 AZR 907/06, NZA 2008, 1120). Dies gilt nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann (BAG v. 7.12.2006, AP Nr. 88 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl; BAG v. 31.5.2007, AP Nr. 94 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl; BAG v. 5.6.2008, NZA 2008, 1120). Ein arbeitsplatzbezogener "Routinevorsprung" bleibt bei der Frage der Vergleichbarkeit außer Betracht (BAG v. 24.5.2005 – 8 AZR 398/04, NZA 2005, 1302, 1306). Die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit steht einer Vergleichbarkeit nicht entgegen (BAG v. 2.6.2005, EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 63; BAG v. 31.5.2007, AP Nr. 94 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl; BAG v. 5.6.2008, NZA 2008, 1120). Die Vergleichbarkeit wird auch noch nicht allein dadurch ausgeschlossen, dass einzelne Arbeitnehmer bestimmte Tätigkeiten besonders beherrschen, bspw. bestimmte Maschinen bedienen können (BAG v. 5.6.2008 – 2 AZR 907/06, NZA 2008, 1120). Welcher Einarbeitungszeitraum dem Arbeitgeber jeweils zugemutet werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insb. von der Dauer der Betriebszugehörigkeit, der beruflichen Vorbildung und dem Lebensalter des Arbeitnehmers (BAG v. 24.5.2005 – 8 AZR 398/04, NZA 2005, 1302, 1306). Das BAG hat eine Einarbeitungszeit von drei Monaten zur Aneignung der erforderlichen CAD- und PC-Kenntnisse als zu lang angesehen (BAG v. 5.5.1994 – 2 AZR 917/93, NZA 94, 1023).
Rz. 712
Eine wechselseitige Austauschbarkeit der Arbeitnehmer ist dabei nicht erforderlich (BAG v. 24.5.2005, AP Nr. 284 zu § 613a BGB; BAG v. 18.10.2006, NZA 2007, 798). Wer als sozial schwächerer Arbeitnehmer im Betrieb verbleibt, muss in der Lage sein, die Tätigkeit desjenigen auszuüben, den als sozial Stärkeren die betriebsbedingte Kündigung trifft. Ob Letzterer auch die Tätigkeit des sozial Schwächeren ausüben könnte, ist unerheblich, da er hierzu ohnehin keine Gelegenheit mehr hat.
Rz. 713
Der gleichen tariflichen Eingruppierung kommt nur bei einfachen Tätigkeiten eine gewisse Indizfunktion im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von Arbeitsplätzen zu (BAG v. 25.4.1985, AP Nr. 7 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl; BAG v. 15.6.1989, AP Nr. 18 zu § 1 KSchG Soziale Auswahl). Bei höher qualifizierten Tätigkeiten nimmt die Indizfunktion der Eingruppierung hingegen ab, weil häufig die berufliche Spezialisierung in diesen Fällen trotz gleicher Eingruppierung einer Vergleichbarkeit entgegenstehen wird (v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn 906).