Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 15
Die Vorschriften des ersten Abschnittes des KSchG sind unabhängig von dem Vertragsverhältnis, welches der Geschäftsführeranstellung zugrunde liegt, nicht anzuwenden, wenn eine der in § 14 Abs. 1 KSchG bezeichneten Personen bei Zugang der Kündigung ihre Organstellung noch innehat. Nach der jüngsten Rspr. des BAG (25.10.2007 – 6 AZR 1045/06, NZA 2008, 168) kommt es entscheidend auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung an. Hat der Kündigungsempfänger im Zeitpunkt des Zugangs noch seine Organstellung inne, kann er keinen Vorteil aus einem ggf. bestehenden Arbeitsverhältnis ziehen, welches der Bestellung zum Geschäftsführer zugrunde liegt oder parallel besteht (BAG v. 25.10.2007 – 6 AZR 1045/06, NZA 2008, 168).
Rz. 16
Die negative Fiktion des § 14 Abs. 1 KSchG greift jedoch nicht, wenn die Kündigung erst zugegangen ist, nachdem die Organstellung des Kündigungsempfängers beendet worden ist. Der Widerruf einer Organstellung wird mit der Bekanntgabe des Beschlusses der Gesellschafter an das Organmitglied bzw. zu einem ggf. in dem Beschluss bestimmten späteren Termin wirksam. Wenn die Gesellschafter die Bestellung mit sofortiger Wirkung widerrufen, sie es aber versäumen, den Anstellungsvertrag vorher zu kündigen, wie es in der Praxis häufig vorkommt, kann das abberufene Organmitglied ggf. Kündigungsschutzklage erheben und argumentieren, das schuldrechtliche Grundverhältnis sei ein Arbeitsverhältnis. Diese Situation kann auch vom Organmitglied selbst herbeigeführt werden, in dem es sein Amt niederlegt (Bauer/Arnold, DB 2008, 350, 353; ErfK/Kiel, § 14 KSchG Rn 5). Das KSchG ist in einem solchen Fall anwendbar, wenn die Parteien mit dem Anstellungsvertrag neben dem Arbeitsvertrag ein zweites Schuldverhältnis begründet habe oder sie den Arbeitsvertrag als einziges zwischen ihnen bestehendes Rechtsverhältnis bewusst aufrechterhalten haben.
Rz. 17
Wird ein Angestellter einer GmbH gem. § 6 GmbHG zum Geschäftsführer bestellt, sollte nach früherer Ansicht des BAG das bis dahin zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nur ruhend gestellt und nicht endgültig beendet werden, wenn sich die Arbeitsbedingungen nicht oder nur unwesentlich änderten. Im Zweifel sei dann davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer nicht in die Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses einwillige. Wollten die Parteien das bestehende Arbeitsverhältnis beenden, müssten sie dies ausdrücklich vereinbaren (BAG v. 9.5.1985 – 2 AZR 330/84, AP Nr. 3 zu § 5 ArbGG 1979; BAG v. 12.3.1987 – 2 AZR 336/86, AP Nr. 6 zu § 5 ArbGG 1979). Wurde der Angestellte bei einer derartigen Vertragsgestaltung später als Geschäftsführer abberufen, lebte das ursprüngliche Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wieder auf.
Rz. 18
Diese Auffassung hat das BAG in seiner jüngeren Rspr. teilweise aufgegeben und die frühere Vermutung umgekehrt. Daher ist im Zweifel nunmehr davon auszugehen, dass mit Abschluss des Geschäftsführer-Dienstvertrages das bisherige Arbeitsverhältnis aufgehoben wird (BAG v. 8.6.2000 – 2 AZR 207/99, AP ArbGG 1979, § 5 Rn 49; BAG v. 25.4.2002 – 2 AZR 352/01, NZA 2003, 272; BAG v. 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, NZA 2006, 366).
In seiner Entscheidung v. 24.11.2005 hatte das BAG zunächst noch offengelassen, ob sich durch die Einführung der Schriftform bei Aufhebungsvereinbarungen in § 623 BGB zum 1.5.2000 hinsichtlich der Aufhebung von Arbeitsverträgen bei Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrages etwas ändert. Der damaligen Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem die Parteien den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag bereits im Jahr 1996 – und damit vor Geltung des § 623 BGB in der ab dem 1.5.2000 gültigen Fassung – abgeschlossen hatten.
Mit Urt. v. 19.7.2007 hat das BAG diese Frage nunmehr entschieden. Schließt ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber einen schriftlichen Geschäftsführer-Dienstvertrag, wird vermutet, dass das bis dahin bestehende Arbeitsverhältnis mit Beginn des Geschäftsführer-Dienstverhältnisses einvernehmlich beendet wird, soweit nicht klar und eindeutig etwas anderes vertraglich vereinbart worden ist. Durch einen schriftlichen Geschäftsführer-Dienstvertrag wird in diesen Fällen das Schriftformerfordernis des § 623 BGB für den Auflösungsvertrag gewahrt (BAG v. 19.7.2007 – 6 AZR 774/06, NZA 2007, 1095).
Rz. 19
Das BAG hat ausgeführt, dass mit dem Abschluss des Geschäftsführer-Dienstvertrages und der damit einhergehenden Bestellung zum Geschäftsführer für den Beschäftigten bereits von Gesetzes wegen zahlreiche neue Rechte und Pflichten aus dem GmbHG begründet würden, die sich von den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen deutlich unterschieden. So vertritt der Geschäftsführer gem. § 35 Abs. 1 GmbHG die Gesellschaft nach außen, sodass der Arbeitnehmer mit der Bestellung zum Geschäftsführer jedenfalls in formaler Hinsicht eine Arbeitgeberstellung einnimmt. Der Geschäftsführer unterliegt ferner der Außenhaftung nach § 43 GmbHG sowie der Haftung nach § 64 GmbHG. Nach § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG kann der als Geschäftsführer Beschäftigte seine Ansprüche geg...