Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 962
§ 15 Abs. 1 S. 2 KSchG verlängert den Kündigungsschutz gegen ordentliche Kündigungen über die Amtszeit des Betriebsrates hinaus für die Dauer eines Jahres. Scheidet ein einzelnes Betriebsratsmitglied vor Beendigung der Amtszeit des Betriebsrates durch Niederlegung seines Amtes aus dem Betriebsrat aus, so greift der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG ein.
Rz. 963
In diesem Nachwirkungszeitraum kann dem Betriebsratsmitglied nur außerordentlich aus wichtigem Grund gekündigt werden (§ 626 Abs. 1 BGB). Erklärt der Arbeitgeber im Nachwirkungszeitraum ggü. dem früheren Betriebsratsmitglied eine ordentliche Kündigung, ist diese auch dann nichtig, wenn ein wichtiger Grund für eine außerordentliche, fristlose Kündigung vorgelegen hat. Eine außerordentliche Kündigung im Nachwirkungszeitraum bedarf dann allerdings nicht mehr der Zustimmung des Betriebsrates gem. § 103 Abs. 1 BetrVG. Eine Anhörung des Betriebsrates gem. § 102 Abs. 1 BetrVG ist aber durchzuführen. Einen nachwirkenden Kündigungsschutz gibt es aber dann nicht, wenn die Beendigung der Betriebsratsmitgliedschaft auf einer gerichtlichen Entscheidung beruht (§ 15 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 KSchG).
Rz. 964
Ersatzmitglieder des Betriebsrates, die zeitweilig ein verhindertes Betriebsratsmitglied vertreten haben, fallen nach dem Ende der Vertretung unter den vollen nachwirkenden Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG. Dies ist allerdings dann nicht anzunehmen, wenn das Ersatzmitglied weder an Sitzungen des Betriebsrates teilgenommen noch andere Aufgaben wahrgenommen hat (BAG v. 6.9.1979 – 2 AZR 548/77, DB 1980, 451). Auf der anderen Seite setzt die Betriebsratstätigkeit nicht die tatsächliche Teilnahme an einer Betriebsratssitzung voraus, ausreichend ist vielmehr bereits eine Ladung und Vorbereitung des Betroffenen zu dieser Sitzung. Schon während dieser Phase kann nämlich das Ersatzmitglied in eine Konfliktstellung zum Arbeitgeber geraten (LAG Brandenburg v. 9.6.1995 – 5 Sa 205/95, BB 1995, 1912).
Rz. 965
Jeder Vertretungsfall löst die Nachwirkung des besonderen Kündigungsschutzes wieder neu aus. Dies gilt unabhängig von der Dauer der Amtszeit der Betriebsratstätigkeit durch das Ersatzmitglied. Deswegen hat sich der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung eines Ersatzmitgliedes zu vergewissern, ob und ggf. wann das Ersatzmitglied nachgerückt ist (offengelassen: BAG v. 6.9.1979 – 2 AZR 548/77, DB 1980, 451).