Dr. iur. Berthold Hilderink, Prof. Dr. Martin Becker
Rz. 773
Bevor der Arbeitgeber die Sozialauswahl durchführt, muss er die relevanten Daten ermitteln (v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn 948; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn 734). Soweit die auswahlrelevanten Daten nicht aus den Personalunterlagen folgen, muss der Arbeitgeber diese erfragen (BT-Drucks 15/1204, 11; Gaul/Lunk, NZA 2004, 184, 187). Hinsichtlich der Unterhaltsverpflichtungen kann sich der Arbeitgeber nach teilweiser Ansicht in der Rspr. und Literatur nicht auf die Eintragungen der Lohnsteuerkarte verlassen (LAG Düsseldorf v. 4.11.2004, § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 47; Kleinebrink, DB 2005, 2522, 2542), da bspw. die Unterhaltsansprüche von geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten daraus nicht ersichtlich sind. Allerdings dürfen die Betriebspartner bei der Aufstellung von Sozialplänen Praktikabilitätsgesichtspunkten Rechnung tragen und die Gewährung von Erhöhungsbeträgen (lediglich) für "jedes Kind ausweislich der Steuerkarte" vorsehen, also in der Lohnsteuerkarte nicht eingetragene Kinder außer Acht lassen (BAG v. 12.3.1997, BuW 1997, 320 = EzA § 112 BetrVG 1972 Nr. 92).
Rz. 774
Anlässlich einer konkret durchzuführenden Sozialauswahl ist nach wohl herrschender Literaturansicht auch die Frage nach der Schwerbehinderteneigenschaft erlaubt (v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn 950; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn 735).
Rz. 775
Verweigert der Arbeitnehmer wegen seines Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung Auskünfte über sozialauswahlrelevante Kriterien oder macht er diesbezüglich nur unvollständige Angaben, kann er sich im Prozess nicht mehr auf Tatsachen berufen, die er dem Arbeitgeber verschwiegen hat (LAG Köln v. 3.5.2000, NZA-RR 2001, 247; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn 735; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn 951). Der Sonderkündigungsschutz des § 168 SGB IX (vor dem 1.1.2018: § 85 SGB IX) bleibt ihm jedoch erhalten, wenn er nach Zugang der Kündigung den Arbeitgeber rechtzeitig über seine Schwerbehinderteneigenschaft informiert (vgl. hierzu BAG v. 12.1.2006 – 2 AZR 539/05, NZA 2006, 1035).