Rz. 33
Bei begründeter Beschwerde stellt der Gerichtshof fest, dass der betroffene Staat seine Pflichten aus der EMRK verletzt hat. Abweichende Meinungen sind zulässig und durchaus üblich (Art. 45 Abs. 2 EMRK, Art. 74 Abs. 2 VerfO). Der EGMR kann den konventionswidrigen Hoheitsakt nicht selbst aufheben. Stattdessen haben sich die Vertragsstaaten verpflichtet, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das rechtskräftige Urteil des EGMR zu befolgen und durch individuelle oder allgemeine Maßnahmen umzusetzen. Die Art und Weise der Beseitigung einer Konventionsverletzung bliebt dabei den Vertragsstaaten überlassen, die dieser Pflicht im Rahmen des nach der innerstaatlichen Rechtsordnung Möglichen nachzukommen haben. Das Ministerkomitee des Europarates überwacht den Vollzug der Urteile (Art. 46 EMRK).
Art. 41 EMRK sieht bei Feststellung einer Konventionsverletzung die Möglichkeit einer gerechten Entschädigung vor. Diese spricht der EGMR aus. Voraussetzung dafür ist eine unvollkommene innerstaatliche Wiedergutmachung, ein entsprechender Antrag des Beschwerdeführers, sowie die Kausalität zwischen Schaden und der Konventionsverletzung. Die Entschädigung umfasst regelmäßig materielle und immaterielle Schäden sowie die Kosten des Verfahrens.
Schadensausgleich durch innerstaatliche Maßnahmen ist ebenfalls möglich. Klassisches Beispiel ist die Durchführung eines Restitutionsverfahrens vor nationalen Gerichten, sofern die Verletzung der EMRK nicht allein durch die vom EGMR zugesprochene Entschädigung sowie das Feststellungsurteil bereinigt wird (vgl. Rdn 2). Der EGMR kann zwar ein nationales Wiederaufnahmeverfahren nicht erzwingen, empfiehlt es jedoch als besonders effektives, bisweilen sogar einziges, Mittel der restitutio in integrum.
Die Entscheidung der Kammer wird gem. Art 44 Abs. 2 EMRK rechtskräftig, (1) wenn die Parteien erklären, dass sie keine Verweisung der Rechtssache an die Große Kammer beantragen, (2) sonst drei Monate nach dem Datum des Urteils der Kammer, wenn kein Verweisungsantrag an die Große Kammer gestellt oder dieser abgelehnt wird.
Endgültige, d.h. formell rechtskräftige und daher nicht mehr anfechtbare Urteile werden gem. Art. 44 Abs. 3 EMRK in den jährlichen Reports of Judgments and Decisions sowie in der elektronischen Datenbank HUDOC veröffentlicht. Das Bundesjustizministerium stellt zudem nicht-amtliche Übersetzungen von Entscheidungen, bei denen die Bundesrepublik Deutschland als Beschwerdegegnerin beteiligt ist, in einer frei zugänglichen Datenbank zur Verfügung.