Rz. 1
Im Zuge der sog. Hartz-Gesetze wurde mit Wirkung zum 1.4.2003 eine sozialversicherungsrechtliche Gleitzone (heute: Übergangsbereich) geschaffen und in § 20 Abs. 2 SGB IV definiert. Die Einführung dieser Gleitzone ging auf einen Vorschlag der Hartz-Kommission zurück. Im Hinblick auf die Beitragslast sollte sie den Übergang von der sozialversicherungsfreien entgeltgeringfügigen Beschäftigung i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV (dazu oben § 28) in die normal sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erleichtern. Im Volksmund hat sich in sprachlicher Anpassung an die Bezeichnung entgeltgeringfügiger Beschäftigungsverhältnisse als Minijob rasch die Bezeichnung eines Arbeitsverhältnisses im Übergangsbereich als "Midi-Job" durchgesetzt.
Rz. 2
Basierend auf der damaligen Geringfügigkeitsgrenze von 400 EUR im Monat betraf die ursprüngliche Gleitzone Arbeitsverhältnisse, aus denen ein monatliches Bruttoeinkommen zwischen 400,01 EUR und 800 EUR resultierte. Im Zuge der Anhebung der Entgeltobergrenze der geringfügigen Beschäftigung auf 450 EUR verschob sich später auch die Gleitzone auf den noch bis 30.6.2019 gültigen Einkommensbereich zwischen 450,01 EUR und 850 EUR. Die Gleitzone hat sich bewährt. Zum 1.7.2019 hat der Gesetzgeber sie betreffend ihre Obergrenze deutlich ausgeweitet und ist auf Kritiken hinsichtlich eines bis dahin aus Arbeitnehmersicht bestehenden Rentennachteils eingegangen (dazu noch unten Rdn 31). Die nunmehr Übergangsbereich genannte Gleitzone begann weiterhin bei einem Bruttomonatsgehalt von 450,01 EUR, endete aber erst bei 1.300 EUR je Monat. Seither ist die Untergrenze mit der Geringfügigkeitsgrenze mitgewachsen und beträgt derzeit (Mai 2024) also 538,01 EUR; die Obergrenze wurde zum 1.10.2022 auf 1.600 EUR und bereits zum 1.1.2023 auf die auch aktuell geltenden 2.000 EUR angehoben. Mit Wirkung ab 1.10.2022 wurde zudem das besondere Berechnungsmodell zur Bestimmung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge im Übergangsbereich verändert, um Belastungssprünge (und damit Fehlanreize) auszuschließen.
Rz. 3
Betraf die ursprüngliche Gleitzone (400,01 EUR bis 800 EUR) eine Gehaltsspanne bis zum Doppelten der Geringfügigkeitsgrenze, gilt sie inzwischen bis zum fast Vierfachen. Die lange vor Einführung des gesetzlichen Mindestlohns konzipierte Übergangsregelung (damals noch: Gleitzone) erfasst nunmehr nicht nur per se prekäre Arbeitsverhältnisse, sondern auch eine Vielzahl von deutlich über dem Mindestlohn vergüteten Beschäftigungen, die aber in Teilzeit ausgeübt werden. Ob dies angesichts der zusätzlichen Belastung des Arbeitgebers (dazu noch Rdn 6) sowie der Sozialkassen (also der Versichertengemeinschaft, dazu noch Rdn 32) wirklich geboten ist, kann man anzweifeln.
Rz. 4
Kern der Idee der Gleitzone ist es, die Beitragslast auf Arbeitnehmerseite beim (ggf. nur geringfügigen) Überschreiten der Entgeltgeringfügigkeitsgrenze nicht sprunghaft ansteigen zu lassen und also den Übergang von der geringfügigen Beschäftigung in die regulär sozialversicherte Teilzeitbeschäftigung nicht unnötig zu erschweren. Nachdem in der politischen Diskussion zuvor auch andere Umsetzungskonzepte erörtert worden waren, besteht das Regelungskonzept der Gleitzone von Anfang darin, dem betroffenen Arbeitnehmer den vollen Sozialversicherungsschutz bei verminderter Beitragslast zu verschaffen. Das Ziel der Entlastung der Arbeitnehmer wird seit dem 1.10.2022 dadurch erreicht, dass der Gesamtsozialversicherungsbeitrag im Übergangsbereich nicht – wie sonst – aus dem tatsächlichen Arbeitsentgelt zu berechnen ist, sondern aus einem verminderten fiktiven Entgelt, und dass der Arbeitnehmer von diesem bereits verminderten Gesamtbeitrag einen geringeren Anteil als die ungefähr 50 % nach der allgemeinen Regel trägt. Die Berechnungsmethodik ist anhand zweier Formeln nunmehr in § 20 Abs. 2a SGB IV geregelt (früher in § 163 Abs. 10 SGB VI der damaligen Fassung, auf den die anderen Spezialgesetze zur Sozialversicherung verwiesen haben; siehe dazu noch die Vorauflage).
Rz. 5
Dieser Einstieg in die Beitragspflicht auf Arbeitnehmerseite gestaltet sich gleitend – daher der ursprüngliche Name "Gleitzone". Je mehr der Arbeitnehmer verdient, desto näher ist der Arbeitnehmerbeitrag der regulären, nach wie vor in etwa paritätischen Teilung mit dem Arbeitgeberbeitrag angenähert. Systembedingt und gewollt ist also der Entlastungseffekt für solche Arbeitnehmer am größten, deren Gehalt die Entgeltobergrenze der Geringfügigkeit (derzeit 538 EUR) nur geringfügig überschreitet. Der Effekt schmilzt bis zur Obergrenze des Übergangsbereichs sukzessive auf Basis einer gesetzlich vorgegebenen Berechnungsformel ab. Die beigefügte Tabelle in Rdn 40 illustriert das.
Rz. 6
Die Beitragsentlastung kommt ausschließlich dem Arbeitnehmer zugute. Der Arbeitgeber hingegen wird nicht nur nicht entlastet, sondern im Vergleich zur üblichen paritätisch verteilten Beitragslast sogar zusätzlich belastet. Obwohl im Übergangsbereich seit der jüngsten Reform der Gesamtsozialve...