I. Abgrenzung Kostengrund- und Kostenhöheentscheidungen
Rz. 286
Man muss die gerichtliche Kostengrundentscheidung von der gerichtlichen Kostenfestsetzung gem. §§ 103 ff. ZPO (sowie von der Kostenfestsetzung gem. § 11 RVG) trennen. Wenn ein Gericht einen Prozess entscheidet, muss es grundsätzlich von Amts wegen auch immer über die Frage entscheiden, wer (und ggf. zu welchem Bruchteil) die Prozesskosten trägt. Dies ist für Zivilsachen in § 308 Abs. 2 ZPO und für Strafsachen in § 464 Abs. 1 StPO geregelt. Auch in Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden, § 81 Abs. 1 S. 3 FamFG. Es wird in der Kostenentscheidung nur dem Grunde nach über die Kostentragung entschieden, man kann ihr hingegen nicht entnehmen, wie hoch die tatsächlich entstandenen und vom Kostenschuldner zu bezahlenden Kosten in EUR sind. Die erforderliche betragsmäßige Aufschlüsselung erfolgt in Zivilsachen auf Antrag im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren durch den Rechtspfleger gem. §§ 103 ff. ZPO.
II. Grundlagen der Kostenentscheidung in Zivilprozessen
Rz. 287
Kostentragungspflicht
In Zivilsachen hat gem. § 91 Abs. 1 ZPO die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, also der Kläger bei Klageabweisung und der Beklagte bei erfolgreicher Klage. Sofern der Kläger nur teilweise obsiegt, wird die Klage im Übrigen abgewiesen. Dann erfolgt gem. § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO entweder eine Kostenquotelung (z.B. ¼ Kläger; ¾ Beklagter) oder die Kosten werden gegeneinander aufgehoben. Bei der Bestimmung der Kostenquote berücksichtigt das Gericht, wie viel von dem eingeklagten Betrag der Partei zugesprochen wird und mit welchem Betrag die Klage abgewiesen wird. Klagt beispielsweise die Partei 20.000,00 EUR ein und bekommt nur 5.000,00 EUR zugesprochen, beträgt das Verhältnis 5.000,00 EUR zu 20.000,00 EUR, also somit ¼ zu ¾. Bei der Kostenaufhebung werden gem. § 92 Abs. 1 S. 2 ZPO nur die Gerichtskosten hälftig aufgeteilt, jede Partei trägt jedoch ihre eigenen Anwalts- und sonstigen außergerichtlichen Kosten selbst. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit dem Begriff "außergerichtliche Kosten" aus Sicht des Gerichts oder Rechtspflegers sowie der ZPO nicht die Geschäftsgebühr gemeint ist, sondern alle Prozesskosten außerhalb der Gerichtskosten, wie z.B. die Verfahrens- oder Terminsgebühr des Anwalts. Bei der Kostenaufhebung können die Kosten der Prozessbevollmächtigten der Parteien unterschiedlich hoch sein, etwa wenn einer der Rechtsanwälte aufgrund einer Vergütungsvereinbarung tätig war oder wenn eine der Parteien ein Privatgutachten in Auftrag gegeben hatte. Die Kostenaufhebung darf nicht mit einer Entscheidung zur Kostentragung von je ½ verwechselt werden. Bei einer Kostentragung von je ½ werden nicht nur die Gerichtskosten geteilt, sondern es erfolgt dann auch hinsichtlich der Anwaltskosten eine Kostenausgleichung. Sofern also eine Partei deutliche höhere Kosten hatte (z.B. wegen Anreise des Anwalts zu zwei Terminen), kann sich aufgrund der Kostenquotelung eine höhere Kostenbelastung auch für die andere Partei ergeben als bei einer Kostenaufhebung.
Rz. 288
Umfang der zu tragenden Kosten
Die zivilrechtliche Kostenentscheidung betrifft gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht nur die Gerichtskosten als solche, sondern die Kosten "des Rechtsstreits", also insbesondere auch außergerichtliche Kosten der Parteien. Allerdings werden nicht ausnahmslos alle denkbaren außergerichtlichen Kosten (zum Begriff siehe oben) von der Kostenentscheidung umfasst.
Rz. 289
Da aber nur die von der Kostenentscheidung umfassten Kosten bei dem (auf Antrag) nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden, bedarf es einer Klärung, welche Kosten im Einzelnen von der gerichtlichen Kostenentscheidung umfasst werden. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO besagt, dass insbesondere die Kosten erfasst werden, die zur "zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig" waren. Darüber, was im Einzelfall "zweckentsprechend" und – dies vorausgesetzt – hierfür "notwendig" ist, lässt sich natürlich trefflich streiten. Hier gibt es viele Zweifelsfälle, weswegen es auch hier ratsam ist, sich über die im jeweiligen Gerichtsbezirk vorherrschende Praxis umfassend zu unterrichten. Eine gute alphabetische Übersicht mit Rechtsprechungshinweisen über die denkbaren Ersatzpositionen findet sich z.B. im ZPO-Kommentar von Zöller, § 91.
Rz. 290
Von der Kostenentscheidung erfasst und damit im Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähig sind insbesondere:
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die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen), |
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die Rechtsanwaltskosten (Gebühren und Auslagen), |
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(angemessene) Reisekosten der Partei (§ 91 Abs. 1 S. 2 ZPO; diese fallen fast immer an, wenn die Partei den Termin wahrnimmt und zwar nicht nur, wenn das persönliche Erscheinen angeordnet wurde, was in der Güteverhandlung im Zivilprozess gem. § 278 Abs. 3 S. 1 ZPO regelmäßig der Fall ist) sowie Entschädigung für die Zeitversäumnis nach den Bestimmungen des JVEG (Justiz-, Vergütungs- und Entschädigungsgesetz), |
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Sachverständigen- und Zeugenkosten nach dem JVEG und |
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Dolmetscherkosten nach dem JVEG. |
Rz. 291
Umstrittene Fälle sind insbesondere...