I. Wertvorschriften im RVG
Rz. 314
Bestimmungen zur Berechnung des Gegenstandswertes und der Wertfestsetzung finden sich in den §§ 22–33 RVG. Damit sind alle Wertvorschriften, die im RVG zu finden sind, bis auf eine Ausnahme, in diesem Abschnitt des RVG geregelt. Dies ist sehr anwenderfreundlich.
II. Wertgrenze
Rz. 315
In § 22 Abs. 2 RVG ist eine Begrenzung des Gegenstandswertsauf 30 Mio. EUR aufgenommen worden, die gilt, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Sind in derselben Angelegenheit mehrere Personen Auftraggeber, beträgt der Wert für jede Person höchstens 30 Mio. EUR, insgesamt jedoch nicht mehr als 100 Mio. EUR.
Rz. 316
Die Wertbegrenzung in § 22 Abs. 2 RVG entspricht weitgehend der Wertbegrenzung in § 39 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei im GKG der Wert von 30 Mio. EUR als Höchstgrenze gilt, unabhängig von der Anzahl der Auftraggeber. Der Gesetzgeber wollte vermeiden, dass bei hohen Streitwerten unverhältnismäßig hohe Gebühren entstehen.
Rz. 317
Will der Rechtsanwalt diese Wertbegrenzung nicht gegen sich gelten lassen (zu beachten ist, dass der Rechtsanwalt bei höheren Streitwerten immer voll haftet, auch wenn er für seine Gebühren beim Streitwert begrenzt ist), so sollte er hinsichtlich des Streitwerts eine Vergütungsvereinbarung treffen. Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2006 entschieden, dass diese Streitwertbegrenzung verfassungskonform ist. Die Entscheidung wurde vielfach kritisiert.
Rz. 318
In § 33 Abs. 2 FamGKG (Gerichtskostengesetz für Familiensachen) findet sich ebenfalls eine Wertbegrenzung auf höchstens 30 Mio. EUR.
III. Systematik der Wertberechnung
Rz. 319
Es bleibt bei der bisher bekannten Systematik der Streitwertberechnung von Anwaltsgebühren. Findet sich im RVG keine spezielle Wertvorschrift für die Berechnung der Anwaltsgebühren, so gilt über § 23 Abs. 1 RVG, dass zur Wertberechnung die für die Gerichtsgebühren geltenden Vorschriften heranzuziehen sind, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts gerichtlich ist oder sein könnte. Dies ist in erster Linie das GKG oder auch das FamGKG. Nach dem FamFG spricht man beim Wert, der für die Berechnung der Gerichtskosten in Familiensachen gilt vom "Verfahrenswert", für den Anwalt vom Gegenstandswert (§ 2 RVG), für die Berechnung der Gerichtskosten nach GKG vom Streitwert und für die Berechnung des Werts für Notare vom Geschäftswert (GNotKG). Im Grunde genommen geht es bei allen diesen Begriffen um die Berechnung des Werts für die Abrechnung von Gebühren oder Gerichtskosten. Nur, dass sich je nach Gesetz ein anderer Begriff findet.
Rz. 320
Soweit der Anwalt in einer anderen Angelegenheit tätig wird, also weder innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens noch im Vorfeld eines solchen, sondern z.B. bei einer Verhandlung über den Abschluss eines Vertrages oder bei einem Testamentsentwurf, bestimmt sich der Gegenstandswert gem. § 23 Abs. 3 RVG nach den dort genannten Vorschriften der Kostenordnung (KostO). Ist der Gegenstandswert im Einzelfall bestimmt, kann gem. § 13 RVG aus der Gebührentabelle der exakte Betrag einer Gebühr bzw. eines Bruchteils davon errechnet werden.
IV. Grundsatz – Addition der Werte
Rz. 321
In § 39 GKG ist in Abs. 1 der Grundsatz geregelt, dass in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet werden.
Rz. 322
§ 22 Abs. 1 RVG behandelt auch für die Anwaltsgebühren den Grundsatz, dass in derselben Angelegenheit mehrere Gegenstände zusammengerechnet werden. Eine ähnliche Regelung gibt es in § 33 Abs. 1 FamGKG.
Beispiel
Es wird eine Klage erhoben. In dieser Klage werden mehrere Anträge gestellt: 1. Zahlung eines Kaufpreises, 2. Zahlung eines Schadensersatzes. Hier treffen in derselben Angelegenheit mehrere Gegenstände aufeinander. Die Werte (Kaufpreis und Schadensersatz) sind zu addieren. § 22 Abs. 1 RVG ist beim Gegenstandswert zu zitieren.
V. Zeitpunkt der Antragstellung
Rz. 323
In § 40 GKG ist geregelt, dass für die Wertberechnung auf den Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung, die den Rechtszug einleitet, abzustellen ist. Für das FamGKG findet sich diese Regelung in § 34 FamGKG mit der Ergänzung, dass für Verfahren, die von Amts wegen eingeleitet werden, der Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebühren maßgebend ist.
VI. Zahlungsklagen
Rz. 324
Bei Zahlungsklagen bestimmt sich der Gegenstandswert nach der mit dem Klageantrag geltend gemachten Forderung. Kosten und Zinsen, die als Nebenforderungen mit eingeklagt werden, bleiben insoweit unberücksichtigt, § 43 Abs. 1 GKG.
Rz. 325
Beantragt der Kläger also beispielsweise
1. |
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen. |
2. |
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. |
3. |
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 130 % vorläufig vollstreckbar. |
beträgt der Gegenstandswert 10.000,00 EUR.
Rz. 326
§ 43 Abs. 1 GKG bestimmt ausdrücklich, dass Nebenforderungen, Früchte, Nutzungen und Zinsen bei der Berechnung des Gegenstandswertes keine Rolle spielen. Korrespondierend (inhaltsgleich) findet sich eine Regelung in §...