1. Anwendbare Vorschriften
Rz. 45
In den gerichtlichen Erkenntnisverfahren erster Instanz vor den Finanzgerichten erhält der Anwalt zwar auch die Gebühren nach Teil 3 VV, nicht jedoch nach Abschnitt 1, also nach den Nrn. 3100 ff. VV, sondern gem. Vorbem. 3.2.1 Nr. 1 VV die Gebühren nach Abschnitt 2, also nach den für die Berufung geltenden Gebührenvorschriften. Finanzgerichte sind auf der Ebene der Obergerichte angesiedelt; gegen ihre Entscheidungen ist nur die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) gegeben. Dieser besonderen Stellung der Finanzgerichte trägt das RVG Rechnung, indem es auch die Gebührenvorschriften für die Obergerichte, also die Gebühren des Berufungsverfahrens für entsprechend anwendbar erklärt.
2. Verfahrensgebühr
a) Gebühr
Rz. 46
Der Anwalt erhält im erstinstanzlichen Verfahren vor dem FG eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV, die sich bei vorzeitiger Beendigung (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3201 VV) sowie unter den Voraussetzungen der Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3201 VV auf eine 1,1-Verfahrensgebühr ermäßigt.
Beispiel 15: Erstinstanzliches Verfahren ohne Termin
Gegen den Mandanten ist ein Steuerbescheid über 4.000,00 EUR ergangen. Der Mandant legt gegen den Steuerbescheid selbst Einspruch ein und beauftragt, nachdem dieser zurückgewiesen worden ist, den Anwalt, hiergegen Klage zu erheben. Daraufhin nimmt das Finanzamt den angefochtenen Bescheid zurück.
Anzuwenden sind die Nrn. 3200 ff. VV. Der Anwalt erhält lediglich eine 1,6-Verfahrensgebühr.
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV |
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444,80 EUR |
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(Wert: 4.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
464,80 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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88,31 EUR |
Gesamt |
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553,11 EUR |
Rz. 47
Erledigt sich das Verfahren vorzeitig, so reduziert sich die Verfahrensgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3201 VV.
Beispiel 16: Erstinstanzliches Verfahren vor dem FG, vorzeitige Erledigung
Gegen den Mandanten ist ein Steuerbescheid über 4.000,00 EUR ergangen, gegen den er selbst Einspruch eingelegt hat. Nachdem dieser zurückgewiesen worden ist, wird der Anwalt beauftragt, hiergegen Klage zu erheben. Vor Einreichung der Klage nimmt der Mandant den Klageauftrag zurück. Zur Einreichung der Klage kommt es nicht mehr.
Infolge der vorzeitigen Erledigung entsteht jetzt nur eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200, Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3201 VV.
1. |
1,1-Verfahrensgebühr, Nr. 3200, |
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305,80 EUR |
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Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3201 VV |
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(Wert: 4.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
325,80 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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61,90 EUR |
Gesamt |
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387,70 EUR |
Rz. 48
Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber, so erhöht sich die Verfahrensgebühr um 0,3 je weiteren Auftraggeber, höchstens um 2,0. Ein solcher Fall ist insbesondere dann gegeben, wenn zusammenveranlagte Ehegatten gegen ihren Steuerbescheid klagen.
Beispiel 17: Erstinstanzliches Verfahren vor dem FG, vorzeitige Erledigung, mehrere Auftraggeber
Gegen die beiden Mandanten ist ein Steuerbescheid über 4.000,00 EUR ergangen. Sie legen hiergegen selbst Einspruch ein und beauftragen, nachdem der Einspruch zurückgewiesen worden ist, den Anwalt, hiergegen Klage zu erheben. Vor Einreichung der Klage nehmen die Mandanten den Auftrag zurück. Zur Einreichung der Klage kommt es nicht mehr.
Infolge der vorzeitigen Erledigung entsteht jetzt wiederum nur eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200, Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3201 VV, die sich nach Nr. 1008 VV um 0,3 auf 1,4 erhöht.
1. |
1,4-Verfahrensgebühr, Nr. 3200, Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3201, Nr. 1008 VV |
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389,20 EUR |
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(Wert: 4.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
409,20 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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77,75 EUR |
Gesamt |
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486,95 EUR |
Rz. 49
Soweit nicht anhängige Gegenstände verhandelt werden, entsteht nach Anm. Abs. 1. Nr. 2 zu Nr. 3201 VV unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG eine 1,1-Verfahrensgebühr (siehe dazu Rdn 62).
Rz. 50
Werden in eine Einigung oder Erledigung nicht anhängige Gegenstände mit einbezogen, so entsteht zusätzlich auch noch eine 1,5-Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1 VV, allerdings unter Beachtung des § 15 Abs. 3 RVG (siehe dazu Rdn 67).
b) Anrechnung bei vorangegangener Tätigkeit
aa) Überblick
Rz. 51
War der Anwalt bereits im vorangegangenen Besteuerungs-, Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren tätig, sind die dort angefallenen Gebühren – vorbehaltlich einer Begrenzung – hälftig anzurechnen (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 3 VV, § 35 Abs. 2 RVG).
bb) Vorangegangene Tätigkeit richtet sich nach dem RVG
Rz. 52
Ist im vorangegangenen Besteuerungs-, Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren eine Geschäftsgebühr angefallen, so ist diese zur Hälfte anzurechnen, höchstens jedoch zu 0,75 (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV). Sind dem gerichtlichen Verfahren mehrere anzurechnende Gebühren vorausgegangen, ist nur die Geschäftsgebühr der Nr. 2300 VV hälftig anzurechnen (Vorbem. 3 Abs. 4 S. 3 VV).
Beispiel 18: Erstinstanzliches Verfahren vor dem FG mit vorangegangenem Einspruchsverfahren
Gegen den Mandanten ist ein...