Rz. 368
Anders als beispielsweise im Bereich der Einkommensteuer handelt es sich bei Sachverhalten, auf die das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht anzuwenden ist, regelmäßig um einmalige Steuervorgänge, die der Finanzverwaltung nur aufgrund besonderer Anzeigen bekannt werden. Das Erbschaftsteuergesetz sieht daher in § 30 ErbStG sowie in den §§ 5–15 ErbStDV ein System von Anzeigepflichten vor, das eine möglichst lückenlose Erfassung aller Steuerfälle gewährleisten soll. Die Finanzämter prüfen vorab anhand der eingegangenen Anzeigen, welche steuerliche Folgen in einem Erwerbsfall zu ziehen sind. Steuererklärungen werden nur dann angefordert, wenn das erworbene Vermögen voraussichtlich die Freigrenzen und Freibeträge übersteigt (§ 31 ErbStG). Die üblichen Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke müssen nach überwiegender Meinung nicht aufgelistet und angezeigt werden. Allerdings genügt bereits die (ernsthafte) Möglichkeit einer Steuerpflicht für das Entstehen der Anzeigepflicht.
Rz. 369
Grundsätzlich gilt, dass jeder, der aus Anlass eines Erbfalls oder einer Schenkung Vermögen erwirbt, diesen Vorgang innerhalb von drei Monaten, nachdem er hiervon Kenntnis erlangt hat, dem zuständigen Erbschaftsteuerfinanzamt anzeigen muss (§ 30 Abs. 1 und 4 ErbStG).
Rz. 370
Eine Anzeigepflicht entfällt dann und nur dann, wenn die Steuerfreiheit außer Zweifel steht. Dies gilt nach § 30 Abs. 1 ErbStG insbesondere für den Erwerber. Damit angesprochen sind vor allem Erben, Vermächtnisnehmer, Auflagenbegünstigte, Pflichtteilsberechtigte, Begünstigte aus Lebensversicherungen und bei Zweckzuwendungen der Beschwerte. Wird die Frist nicht eingehalten, darf das Finanzamt deswegen keinen Verspätungszuschlag (§ 152 AO) festsetzen. Ist angezeigt worden und stellt sich später heraus, dass die Anzeige ganz oder teilweise falsch war, muss sie berichtigt werden (§ 153 AO).
Rz. 371
Soweit der Erwerb auf einem von einem Nachlassgericht, einem deutschen Notar oder einem deutschen Konsulat eröffneten Testament oder Erbvertrag beruht, ist eine Anzeige nicht erforderlich, wenn sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt (§ 30 Abs. 3 ErbStG). Dasselbe gilt, wenn ein deutscher Notar oder ein deutsches Gericht eine Schenkung beurkundet hat, da hier die Kenntnis des Finanzamts auf andere Weise sichergestellt ist.
Für Erwerbe von Todes wegen gilt die Befreiung von der Anzeigepflicht allerdings nur dann, wenn der Erwerb keinen Grundbesitz, kein Betriebsvermögen und keine Kapitalgesellschaftsanteile umfasst.
Rz. 372
Neben dem Erwerber können aber auch andere Personen anzeigepflichtig sein, insbesondere Gerichte, Behörden und Notare (§ 34 ErbStG). Daneben sind aber auch inländische Banken und andere Vermögensverwahrer oder Vermögensverwalter sowie Versicherungsunternehmen gemäß § 33 ErbStG zur Mitteilung an die Finanzbehörden verpflichtet. Wird beispielsweise einer Bank der Tod eines Konten- oder Depotinhabers bekannt, hat sie die Guthabenstände aller für den Erblasser geführten Konten und Depots innerhalb eines Monats der zuständigen Finanzbehörde mitzuteilen. Bei einem Schließfach erstreckt sich die Anzeigepflicht auf sämtliche Tatsachen der Anmietung, nicht jedoch auf den Schließfachinhalt. Versicherungsunternehmen trifft gemäß § 33 Abs. 3 ErbStG eine Mitteilungsverpflichtung, wenn sie fällige Versicherungssummen oder Leibrenten einem anderen als dem Versicherungsnehmer auszuzahlen beabsichtigen. Ob es sich bei dem Empfänger um einen Erben bzw. Vermächtnisnehmer oder um einen (anderen) im Versicherungsvertrag benannten Bezugsberechtigten handelt, ist insoweit ohne Belang.
Rz. 373
Für die Anzeige ist kein Vordruck vorgesehen. Ihr Inhalt ergibt sich aus § 30 Abs. 4 ErbStG. Sie soll folgende Angaben enthalten: Vorname und Familienname, Beruf, Wohnung des Erblasers oder Schenkers und des Erwerbers (Nr. 1), Todestag und Sterbeort des Erblassers oder Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung (Nr. 2), Gegenstand und Wert des Erwerbs (Nr. 3), Rechtsgrund des Erwerbs wie gesetzliche Erbfolge, Vermächtnis, Ausstattung (Nr. 4), persönliches Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder zum Schenker wie Verwandtschaft, Schwägerschaft, Dienstverhältnis (Nr. 5), frühere Zuwendungen des Erblassers oder Schenkers an den Erwerber nach Art, Wert und Zeitpunkt der einzelnen Zuwendung (Nr. 6).