a) Relevante Erwerbsvorgänge
Rz. 780
Abgesehen von grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerben, bei denen der maßgebende Wert im Sinne von § 8 GrEStG einen Betrag von 2.500 EUR nicht übersteigt, bildet den – jedenfalls im Bereich der Vermögensnachfolge – wesentlichsten Befreiungstatbestand die Regelung des § 3 Nr. 2 GrEStG, der zufolge Grundstückserwerbe von Todes wegen und Grundstücksschenkungen unter Lebenden im Sinne des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) von der Besteuerung ausgenommen sind. Zweck der Regelung ist, eine Doppelbelastung des Erwerbs ein und desselben Vermögensgegenstandes (Grundstück) mit Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer auf der einen und Grunderwerbsteuer auf der anderen Seite auszuschließen. Das Gesetz arbeitet in § 3 Nr. 2 GrEStG mit einer dynamischen Verweisung. Die Frage, ob bzw. in welchem Umfang ein Vorgang der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer unterliegt, richtet sich demzufolge ausschließlich nach den jeweils aktuellen Normen des ErbStG.
Rz. 781
Angesichts der weiten Formulierung des § 3 Nr. 2 S. 1 GrEStG spielt es im Übrigen keine Rolle, welcher der in §§ 3 bzw. 7 ErbStG genannten Erwerbstatbestände einschlägig ist. Im Bereich des § 3 Abs. 1 ErbStG bleiben also nicht nur die Erwerbe durch Erbanfall oder durch Vermächtnis von der Grunderwerbsteuer befreit, sondern auch Erwerbe durch Schenkung auf den Todesfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) sowie die in § 3 Abs. 2 ErbStG genannten steuerpflichtigen Erwerbe (z.B. der Vermögensübergang auf eine Stiftung oder Zuwendungen infolge der Vollziehung einer Auflage etc.).
Rz. 782
Auch der Grundstückserwerb als Abfindung für den Verzicht auf einen entstandenen Pflichtteilsanspruch (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG) ist ein dem ErbStG unterliegender Vorgang und daher von § 3 Nr. 2 GrEStG erfasst. Der Umfang der Steuerbefreiung richtet sich in diesem Fall nach der Höhe des Pflichtteilsanspruchs. Erbringt der Pflichtteilsberechtigte weitere Gegenleistungen, z.B. in Form von Barzahlungen, unterliegen diese aber der Grunderwerbsteuer. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG erfasst nur den wertmäßigen Teil des Grundstücks, der als Gegenleistung für den Verzicht auf den Pflichtteil hingegeben wird. Dasselbe gilt für sonstige Abfindungen im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG (Erbersatzanspruch, Zurückweisung eines Rechts aus einem Vertrag zugunsten Dritter etc.).
Nicht von § 3 Nr. 2 GrEStG erfasst ist die Übertragung eines Grundstücks an Erfüllung statt zur Begleichung eines bereits geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs. Denn diese Grundstücksübertragung unterliegt gerade nicht der Erbschaftsteuer, die bereits durch die Pflichtteilsgeltendmachung (als solche) ausgelöst wurde, auf die aber die Art und Weise der Begleichung des geltend gemachten Anspruchs keinen Einfluss hat.
Rz. 783
Dieselben Grundsätze gelten auch im Bereich der steuerpflichtigen Zuwendungen nach § 7 ErbStG. Demzufolge sind sämtliche Zuwendungsvorgänge nach § 7 Abs. 1 ErbStG sowie auch nach den Absätzen 2 bis 7 von der Grunderwerbsteuer befreit.
Rz. 784
§ 7 Abs. 8 ErbStG fingiert – abweichend von den allgemeinen Grundsätzen der Schenkungsbesteuerung – eine Steuerpflicht für bloße Werterhöhungen bei Kapitalgesellschaftsanteilen. Eine substanzielle Vermögensverschiebung (nicht einmal in Form von Anteilen) findet hier gerade nicht statt. Soweit aber die nach § 7 Abs. 8 ErbStG besteuerte Werterhöhung durch die Übertragung eines Grundstücks auf die Kapitalgesellschaft (oder Genossenschaft) ausgelöst wird, ist § 3 Nr. 2 GrEStG anwendbar.
Rz. 785
Das Eingreifen von § 3 Nr. 2 GrEStG kommt im Übrigen immer dann in Betracht, wenn ein Grundstück aufgrund eines Erwerbs von Todes wegen (§ 3 ErbStG) oder durch Schenkung unter Lebenden (§ 7 ErbStG) auf einen Erwerber übergeht. Ob dabei tatsächlich eine Steuerpflicht nach dem ErbStG gegeben ist, ob eine etwaige Erbschaftsteuer durch die Finanzverwaltung festgesetzt oder die festgesetzte Steuer tatsächlich entrichtet wird, ist für die Anwendbarkeit von § 3 Nr. 2 GrEStG ohne Belang. Die Norm greift vielmehr auch dann ein, wenn – beispielsweise wegen Befreiungen nach dem ErbStG oder aufgrund persönlicher Freibeträge etc. – gar keine Erbschaftsteuer entsteht.
Rz. 786
Der Anwendungsbereich der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG erfasst alle Erwerbstatbestände im Sinne des § 1 GrEStG. Er ist nicht auf Grundstücksübertragungen im engeren Sinne beschränkt und gilt – nach zutreffender Auffassung – auch für die Ersatztatbestände, insbesondere nach § 1 Abs. 2a, 2b, 3 und 3a GrEStG. Insoweit ist festzuhalten, dass beim Übergang von Personen- bzw. Kapitalgesellschaftsanteilen von Todes wegen bereits der Tatbestand des § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG nicht erfüllt ist, weil nach deren jeweiligem S. 6 der Erwerb von Anteilen von Todes wegen außer Betracht bleibt. Schenkweise Anteilsübertragungen im Sinne von § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG werden aber von § 3 Nr. 2 GrEStG erfasst und bleiben demzufolge steuerfrei. Bei teilentgeltlichen Anteilsübertragunge...