a) Grundsätzliches: Bewertung mit dem Nennbetrag
Rz. 172
Kapitalforderungen und Schulden sind nach § 12 Abs. 1 S. 1 BewG grundsätzlich mit ihrem jeweiligen Nennbetrag anzusetzen. Abweichungen hiervon können jedoch erforderlich werden, wenn beispielsweise Forderungen uneinbringlich sind oder ihre Fälligkeit über einen längeren Zeitraum hinausgeschoben ist, währenddessen die Forderung nur gering verzinst wird.
Rz. 173
Kapitalforderungen i.S.v. § 12 Abs. 1 BewG sind insbesondere Darlehensforderungen, durch Hypotheken, Grundschulden usw. gesicherte Geldforderungen, Kaufpreisforderungen, Zinsforderungen, Forderungen aus typischen stillen Beteiligungen, Bankguthaben sowie Instandhaltungsrücklagen nach dem WEG. Auch beim bereits geltend gemachten Pflichtteilsanspruch handelt es sich um eine Kapitalforderung i.S.v. § 12 Abs. 1 BewG. Vor Geltendmachung gilt dies nur, wenn mit der Geltendmachung ernsthaft zu rechnen ist. Als Kapitalforderungen sind auch Steuererstattungsansprüche (außerhalb des Betriebsvermögens) anzusehen. Das gilt nach § 10 Abs. 1 S. 3 ErbStG für alle Steuererstattungsansprüche des Erblassers, soweit sie im Zeitpunkt seines Todes bereits rechtlich entstanden (§ 37 Abs. 2 AO) sind. Der Zeitpunkt der Steuerfestsetzung ist demgegenüber unbeachtlich. Dieselben Grundsätze gelten auch für gegen den Erblasser gerichtete Steuernachforderungen.
Rz. 174
Gem. § 12 Abs. 1 S. 1 BewG sind Kapitalforderungen und Schulden – soweit sie nicht mit einem Börsenkurs i.S.v. § 11 Abs. 1 BewG versehen sind – mit ihrem jeweiligen Nennwert anzusetzen. Nennwert ist der Betrag, der nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses vom Schuldner bei Fälligkeit der Forderung zu entrichten ist.
Rz. 175
Ist die zu bewertende Kapitalforderung am Stichtag bereits teilweise getilgt, ist nur der noch offene Restbetrag anzusetzen, und zwar unabhängig von der Art und Weise wie die Tilgungsleistungen verrechnet werden.
b) Abweichungen vom Nennwertansatz
Rz. 176
Eine vom Nennbetrag abweichende Bewertung ist aber für Fälle vorgesehen, in denen besondere Umstände vorliegen, die der Forderung bzw. Verbindlichkeit immanent sind. Hierbei handelt es sich neben den in § 12 Abs. 2 (Uneinbringlichkeit) und Abs. 3 (Unverzinslichkeit) explizit geregelten Fällen insbesondere um das Vorliegen einer niedrigen oder hohen Verzinsung und einen Ausschluss der Kündbarkeit für einen längeren Zeitraum.
Rz. 177
Von einer niedrigen Verzinsung ist auszugehen, wenn der jährliche Zinssatz unter 3 v.H. liegt; eine hohe Verzinsung wird angenommen, wenn der Zinssatz 9 v.H. p.a. übersteigt. Die Niedrig- bzw. Hochverzinslichkeit muss langfristig ausgerichtet sein. Bei (Rest-)Laufzeiten von weniger als vier Jahren sind Unter- bzw. Überschreitungen des genannten Zinskorridors daher unbeachtlich. Eine Laufzeit von mehr als vier Jahren kann nur dann angenommen werden, wenn diese vor dem Stichtag für die konkrete Forderung vereinbart wurde.
Allgemein stellt sich die Frage, ob in Niedrigzinsphasen, in denen das allgemeine Zinsniveau am Geldmarkt eine Verzinsung von 3 % p.a. nicht oder nur eingeschränkt zulässt, durch den Nachweis eines niedrigeren Marktzinses ein Ansatz von Verbindlichkeiten unter dem Nennbetrag vermieden werden kann. Die gleich lautenden Ländererlasse vom 10.10.2010 sehen insofern keine entsprechenden Beurteilungs- bzw. Anpassungsspielräume vor. Auch der BFH ist hinsichtlich des Nachweises eines niedrigeren zugrunde zu legenden Zinses durch den Steuerpflichtigen äußerst restriktiv und stellt insoweit hohe Anforderungen. Im Bereich des Einkommensteuerrechts wird dies aber teilweise anders gesehen.
Rz. 178
Der sich aus einer niedrigen bzw. hohen Verzinsung ergebende Wertab- bzw. -aufschlag wird durch Kapitalisierung des jeweiligen Zinsverlustes bzw. Zinsgewinns für den Zeitraum vom Stichtag bis zur möglichen Kündigung bzw. Fälligkeit der zu beurteilenden Forderung ermittelt. Der jeweilige Zinsgewinn bzw. -verlust wird zusätzlich zum eigentlichen Nennbetrag der Kapitalforderung berücksichtigt. Eine entsprechende Abzinsung ist auch bei betagten Forderungen vorzunehmen.
Uneinbringliche Forderungen sind beim Gläubiger gem. § 12 Abs. 2 BewG nicht anzusetzen. Von einer uneinbringlichen Forderung ist auszugehen, wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist oder wenn eine grundpfandrechtlich gesicherte Forderung im Rahmen der Zwangsversteigerung ausgefallen ist. Auch verjährte Forderungen können als uneinbringlich anzusehen sein. Grundsätzlich is...