a) Besteuerung des Vorerben
Rz. 127
Der Vorerbe wird gemäß § 6 Abs. 1 ErbStG als Erbe besteuert. Die erbrechtlichen Beschränkungen, die ihn treffen, werden dabei nicht berücksichtigt. Nach § 20 Abs. 4 ErbStG hat er die Steuer aus den Mitteln der Erbschaft zu entrichten. Das versteht sich als Ergänzung zu § 2326 BGB. Hat der Vorerbe die Steuer bis zu seinem Tod nicht gezahlt, geht sie als Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG) auf seine Erben über. Diese erben aber nicht nur die Erbschaftsteuer, sondern auch den Ersatzanspruch des Vorerben gegen den Nacherben.
b) Besteuerung des Nacherben
aa) Anwartschaftsrecht des Nacherben
Rz. 128
Mit dem Tod des Erblassers erwirbt der Nacherbe ein Anwartschaftsrecht. Dieser Erwerb löst keine Steuer aus. Veräußert der Nacherbe sein Anwartschaftsrecht entgeltlich, muss er aber das Entgelt versteuern (§ 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG). Erwerber kann auch der Vorerbe sein. Die Steuer entsteht mit der Übertragung der Anwartschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 1i) ErbStG).
Rz. 129
Stirbt der Nacherbe vor dem Nacherbfall und ist sein Anwartschaftsrecht vererblich, geht es auf seine Erben über. Steuerlich gehört es aber nicht zu seinem Nachlass (§ 10 Abs. 4 ErbStG). Erst im Nacherbfall ist der Erbe des Nacherben mit dem kraft Nacherbfolge auf ihn übergehenden Nachlass steuerpflichtig. Er erwirbt ihn entweder vom Vorerben (§ 6 Abs. 2 ErbStG) oder vom ursprünglichen Erblasser (§ 6 Abs. 3 ErbStG).
bb) Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben
Rz. 130
Stirbt der Vorerbe, wird der Nacherbe Erbe (des ursprünglichen Erblassers). Er erhält aber seinen Erwerb nicht unmittelbar vom Erblasser sondern vom Vorerben. Dies vollzieht § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG auch steuerlich nach. Steuerbefreiungen, Steuerklasse, Freibetrag und Steuersatz folgen daher grundsätzlich dem Verhältnis des Nacherben zum Vorerben. Nur auf Antrag wird der Nacherbe entsprechend seinem Verhältnis zum Erblasser besteuert (§ 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG). Darunter ist das Verwandtschaftsverhältnis zu verstehen. Der Antrag wirkt sich daher nur auf die Steuerklasse aus und auf alles, was damit zusammenhängt.
Rz. 131
Beispiel
Vater V setzt seine Ehefrau F zur Vorerbin ein und seinen Sohn S zum Nacherben. Kurz vor seinem Tod schenkt er S seinen Betrieb. Fünf Jahre später stirbt auch F. Der Sohn wird als Erbe von F besteuert. Die Schenkung des V wird dabei nicht berücksichtigt.
Rz. 132
Erwirbt der Nacherbe auch Vermögen des Vorerben, werden die Nacherbschaft nach dem ursprünglichen Erblasser und die Erbschaft nach dem Vorerben zu einem einheitlichen Erwerb zusammengerechnet (§ 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG). Ein Antrag nach § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG führt in diesem Fall dazu, dass der Gesamterwerb fiktiv in Nacherbschaft und Erbschaft zerlegt wird. Auf jeden Erwerb sind die ihm entsprechende Steuerklasse sowie der daraus abzuleitende Freibetrag anzuwenden. Anschließend wird jeder Erwerb zu dem Steuersatz besteuert, der für den Gesamterwerb gelten würde (§ 6 Abs. 2 S. 5 ErbStG).
Rz. 133
Zwei Freibeträge, einen nach dem Erblasser und einen nach dem Vorerben, gibt es nicht. Der persönliche Freibetrag richtet sich vielmehr nach dem günstigsten Verwandtschaftsverhältnis (§ 6 Abs. 2 S. 4 ErbStG). Für das Eigenvermögen des Vorerben bekommt der Nacherbe als Erbe deshalb einen Freibetrag nur noch, wenn und soweit sein Freibetrag nach dem Erblasser nicht verbraucht ist.
c) Nacherbfolge in anderen Fällen
Rz. 134
Tritt die Nacherbfolge durch ein anderes Ereignis ein, z.B. aufgrund einer Wiederverheiratungsklausel, gilt die Vorerbfolge als auflösend bedingter, die Nacherbfolge als aufschiebend bedingter Anfall (§ 6 Abs. 3 ErbStG). Die Erbschaftsteuer, die der Vorerbe entrichtet hat, wird angerechnet – abzüglich des Steuerbetrags, der der tatsächlichen Bereicherung des Vorerben entspricht (§ 6 Abs. 3 S. 2 ErbStG).
d) Vor- und Nacherbschaften gleichgestellte Gestaltungen
Rz. 135
Vermächtnisse, die erst mit dem Tod des Beschwerten fällig werden, sind vergleichsweise häufig anzutreffen. Z.B. könnte ein Ehemann seine Frau als Alleinerbin einsetzen, den elterlichen Familienstammsitz aber seinem einzigen Bruder vermachen. Die Ehefrau braucht das Vermächtnis aber zu Lebzeiten nicht zu erfüllen, es soll erst mit ihrem dem Tod fällig werden. Nach § 6 Abs. 4 ErbStG sind Nachvermächtnisse und beim Tod des Beschwerten fällige Vermächtnisse den Nacherbschaften gleichgestellt.
Rz. 136
Mit der Erbschaftsteuerreform 2009 wurde in § 6 Abs. 4 ErbStG der Erwerb aufgrund der Vollziehung einer Auflage, die erst beim Tod des Beschwerten fällig wird, dem sog. Nachvermächtnis gleichgestellt. Damit sollten der Finanzverwaltung nicht genehme Gestaltungen unterbunden werden. Denn vor der gesetzlichen Gleichstellung konnte mit der Gestaltung erreicht werden, dass die ...