a) Bewertungsobjekt
Rz. 208
Anders als bei Einzelunternehmen und mitunternehmerischen Personengesellschaften ist im Bereich der Kapitalgesellschaften die Frage, welchen Umfang die zu bewertende wirtschaftliche Einheit (das Betriebsvermögen i.S.v. § 18 Nr. 3 BewG) hat, leicht zu beantworten. Denn für Kapitalgesellschaften gilt, dass sämtliche in ihrem Eigentum stehenden Wirtschaftsgüter auch ihrem Betriebsvermögen zuzuordnen sind (§ 97 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Demzufolge sind all diese Gegenstände auch in die erbschaftsteuerrechtliche Bewertung miteinzubeziehen.
Rz. 209
Ob und inwieweit das Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft auch Verwaltungsvermögen i.S.v. § 13b Abs. 2 ErbStG umfasst, spielt für die Bewertung bzw. die Anwendung der verschiedenen Bewertungsverfahren keine Rolle.
b) Bewertung – gesetzliche Vorgaben
Rz. 210
Ziel der Bewertung von Kapitalgesellschaftsanteilen ist gem. § 12 Abs. 2 ErbStG i.V.m. § 11 BewG der gemeine Wert. Dieser ist entweder nach § 11 Abs. 1 BewG aus Kurswerten oder Verkaufserlösen abzuleiten oder nach § 11 Abs. 2 BewG auf der Grundlage der Ertragsaussichten oder nach einer anderen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nicht steuerliche Zwecke üblichen Methode zu schätzen. Gem. § 11 Abs. 2 S. 2 letzter Halbsatz BewG kann das vereinfachte Ertragswertverfahren nach §§ 199 ff. BewG angewendet werden.
Rz. 211
Im Rahmen der Schätzung des Werts (§ 11 Abs. 2 BewG) besteht für den Steuerpflichtigen qua Gesetzes ein Wahlrecht, die Bewertung nach einer anderen üblichen und anerkannten Bewertungsmethode vorzunehmen (offenes Bewertungsverfahren). Das Gesetz regelt aber ausdrücklich, dass – abgesehen vom vereinfachten Ertragswertverfahren – stets (also ausschließlich) die Methode anzuwenden ist, die auch ein (gedachter) Erwerber anwenden würde.
Rz. 212
Das vereinfachte Ertragswertverfahren ist nur dann nicht zulässig, wenn es zu "offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen" führt. Dies kann aber nur auf der Grundlage einer entsprechenden Vergleichsbewertung nach einem alternativen Verfahren nachgewiesen werden. Vor diesem Hintergrund ist die Abweichung von den gesetzlich normierten Verfahren in erster Linie für den Steuerpflichtigen, der einen niedrigeren Ansatz durchsetzen möchte, von praktischer Relevanz.
c) Ableitung aus Kursen und Verkaufspreisen
Rz. 213
Nach § 11 Abs. 1 BewG ist für Anteile an börsennotierten Kapitalgesellschaften der Börsenkurs am jeweiligen Stichtag (i.S.v. § 11 ErbStG) maßgeblich, und zwar der niedrigste am Stichtag notierte. Die insoweit von der Finanzverwaltung in der Vergangenheit wiederholt vertretene Auffassung, variable Kursnotierungen seien nicht maßgeblich war und ist mit dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 BewG nicht vereinbar. Außerdem würde das Abstellen auf einen einzigen Einheitskurs je Tag und der damit verbundene Ausschluss der Berücksichtigung variabler Notierungen die Vorgabe des Gesetzes, auf den niedrigsten notierten Kurs abstellen zu wollen, konterkarieren. Ganz offensichtlich setzt das Gesetz insoweit das Bestehen verschiedener Notierungen am Stichtag voraus.
Rz. 214
Kann ein Börsenkurs am Bewertungsstichtag nicht festgestellt werden, ist auf den letzten innerhalb von 30 Kalendertagen vor dem Besteuerungszeitpunkt im amtlichen Handel notierten Kurs abzustellen (§ 11 Abs. 1 S. 2 BewG). Fehlt auch eine Notierung in diesem Zeitraum, ist auf im geregelten Markt oder auch im Freiverkehr zustande gekommene Kurse zurückzugreifen.
Rz. 215
Abweichungen vom tatsächlichen Kurswert am Bewertungsstichtag wurden von der Rechtsprechung bisher nur in sehr engen Grenzen zugelassen. In Betracht kamen insoweit nur Fälle, in denen Umstände vorlagen, unter denen die Streichung des Kurses nach Börsenrecht hätte verlangt werden können. Allein die Feststellung überhöhter Kurse aufgrund spekulativer Einflüsse reicht grundsätzlich nicht aus, denn ungeachtet des sachlich nicht gerechtfertigten Kurses könnte ein Anteilseigner an diesem Stichtag den entsprechenden Wert realisieren. Ein Abweichen vom Börsenkurs ist auch durch das Vorliegen nicht repräsentativer Minimalumsätze i.d.R. nicht gerechtfertigt.
Rz. 216
Der Wert von Anteilen an nicht notierten Kapitalgesellschaften wird gem. § 11 Abs. 2 BewG vorrangig aus tatsächlich durchgeführten Verkäufen abgeleitet. Relevant sind insoweit Verkäufe im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, die – im Besteuerungszeitpunkt, also am Stichtag – weniger als ein Jahr zurückliegen. Die Formulierung "unter fremden Dritten" ist so zu deuten, dass nur Verkäufe als Ableitungsgrundlage dienen können, die nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage unter frei agierenden Wirtschaftssubjekten zustande gekommen sind, und bei dem jeder Vertragspartner ohne Zwang und unter Wahrung seiner eigenen Interessen zu handeln vermochte. Ob es sich bei den Vertragsparteien tatsächlich um fremde Drit...