aa) Anwartschaftsrecht des Nacherben
Rz. 128
Mit dem Tod des Erblassers erwirbt der Nacherbe ein Anwartschaftsrecht. Dieser Erwerb löst keine Steuer aus. Veräußert der Nacherbe sein Anwartschaftsrecht entgeltlich, muss er aber das Entgelt versteuern (§ 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG). Erwerber kann auch der Vorerbe sein. Die Steuer entsteht mit der Übertragung der Anwartschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 1i) ErbStG).
Rz. 129
Stirbt der Nacherbe vor dem Nacherbfall und ist sein Anwartschaftsrecht vererblich, geht es auf seine Erben über. Steuerlich gehört es aber nicht zu seinem Nachlass (§ 10 Abs. 4 ErbStG). Erst im Nacherbfall ist der Erbe des Nacherben mit dem kraft Nacherbfolge auf ihn übergehenden Nachlass steuerpflichtig. Er erwirbt ihn entweder vom Vorerben (§ 6 Abs. 2 ErbStG) oder vom ursprünglichen Erblasser (§ 6 Abs. 3 ErbStG).
bb) Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben
Rz. 130
Stirbt der Vorerbe, wird der Nacherbe Erbe (des ursprünglichen Erblassers). Er erhält aber seinen Erwerb nicht unmittelbar vom Erblasser sondern vom Vorerben. Dies vollzieht § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG auch steuerlich nach. Steuerbefreiungen, Steuerklasse, Freibetrag und Steuersatz folgen daher grundsätzlich dem Verhältnis des Nacherben zum Vorerben. Nur auf Antrag wird der Nacherbe entsprechend seinem Verhältnis zum Erblasser besteuert (§ 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG). Darunter ist das Verwandtschaftsverhältnis zu verstehen. Der Antrag wirkt sich daher nur auf die Steuerklasse aus und auf alles, was damit zusammenhängt.
Rz. 131
Beispiel
Vater V setzt seine Ehefrau F zur Vorerbin ein und seinen Sohn S zum Nacherben. Kurz vor seinem Tod schenkt er S seinen Betrieb. Fünf Jahre später stirbt auch F. Der Sohn wird als Erbe von F besteuert. Die Schenkung des V wird dabei nicht berücksichtigt.
Rz. 132
Erwirbt der Nacherbe auch Vermögen des Vorerben, werden die Nacherbschaft nach dem ursprünglichen Erblasser und die Erbschaft nach dem Vorerben zu einem einheitlichen Erwerb zusammengerechnet (§ 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG). Ein Antrag nach § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG führt in diesem Fall dazu, dass der Gesamterwerb fiktiv in Nacherbschaft und Erbschaft zerlegt wird. Auf jeden Erwerb sind die ihm entsprechende Steuerklasse sowie der daraus abzuleitende Freibetrag anzuwenden. Anschließend wird jeder Erwerb zu dem Steuersatz besteuert, der für den Gesamterwerb gelten würde (§ 6 Abs. 2 S. 5 ErbStG).
Rz. 133
Zwei Freibeträge, einen nach dem Erblasser und einen nach dem Vorerben, gibt es nicht. Der persönliche Freibetrag richtet sich vielmehr nach dem günstigsten Verwandtschaftsverhältnis (§ 6 Abs. 2 S. 4 ErbStG). Für das Eigenvermögen des Vorerben bekommt der Nacherbe als Erbe deshalb einen Freibetrag nur noch, wenn und soweit sein Freibetrag nach dem Erblasser nicht verbraucht ist.