aa) Definition
Rz. 704
Eine Betriebsaufspaltung setzt die enge personelle und sachliche Verflechtung zweier rechtlich selbstständiger Unternehmen voraus, von denen das eine (Betriebsunternehmen) die operativen Geschäfte führt, während das andere (Besitzunternehmen) das Eigentum an wesentlichen Teilen des durch das Betriebsunternehmen genutzten Anlagevermögens hält.
Rz. 705
Die sachliche Verflechtung setzt voraus, dass das oder die überlassenen Wirtschaftsgüter beim Betriebsunternehmen wesentliche Betriebsgrundlagen darstellen. Die Überlassung einer einzigen wesentlichen Betriebsgrundlage, z.B. des Betriebsgrundstücks, reicht aus. Für die Frage, ob ein Wirtschaftsgut als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen ist, kommt es auf eine funktionale Betrachtungsweise an. Demzufolge zählen zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Unternehmens solche Wirtschaftsgüter, die zur Erreichung des Unternehmenszwecks erforderlich sind und denen besonderes Gewicht für die Führung des Betriebes zukommt.
Rz. 706
Eine personelle Verflechtung ist gegeben, wenn dieselbe Person bzw. eine Gruppe von Personen sowohl in der Besitz- als auch in der Betriebsgesellschaft ihren geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen kann. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn an beiden Unternehmen dieselben Personen im gleichen Verhältnis beteiligt sind. Es kann aber auch ausreichen, wenn – abweichend von der zivilrechtlichen Beteiligungsquote – eine tatsächliche Beherrschung beider Unternehmen möglich ist.
bb) Rechtsfolgen
Rz. 707
Rechtsfolge des Vorliegens einer Betriebsaufspaltung ist, dass sämtliches Vermögen des Besitzunternehmens zwingend als Betriebsvermögen im einkommensteuerrechtlichen Sinn zu qualifizieren ist. Das Betriebsvermögen des Besitzunternehmens umfasst neben den dem Betriebsunternehmen überlassenen wesentlichen Betriebsgrundlagen auch die Anteile am Betriebsunternehmen selbst.
cc) Wiesbadener Modell
Rz. 708
Allein der Umstand, dass es sich bei den Gesellschaftern um Ehegatten handelt, rechtfertigt die Anwendung der Personengruppentheorie und damit die Annahme einer Betriebsaufspaltung nicht. Denn auch unter Ehegatten können nicht zwingend gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen unterstellt werden. Daher kann es sich anbieten, wesentliche Betriebsgrundlagen, die nicht Eigentum des Betriebsunternehmens sein bzw. werden sollen, durch den Ehegatten des Betriebsunternehmers anschaffen zu lassen. Denn in dieser Konstellation kann nicht ohne Weiteres von der Möglichkeit der Durchsetzung des geschäftlichen Betätigungswillens in beiden Unternehmen ausgegangen werden. Diese Gestaltung wird als "Wiesbadener Modell" bezeichnet und ist im Erbfall mitunter erheblichen Gefahren ausgesetzt.
Rz. 709
Vorsicht ist allerdings geboten, wenn beide Ehegatten – mit gegenläufigen Beteiligungsquoten – sowohl am Besitz- als auch am Betriebsunternehmen beteiligt sind. Denn der BFH geht davon aus, dass bei derartigen gesellschaftsrechtlichen bzw. wirtschaftlichen Konstruktionen (gleichgültig ob unter Ehegatten oder fremden Dritten) grundsätzlich ein Gleichklang der wirtschaftlichen Interessen bestehe; hierfür spreche bereits die bewusste Wahl dieser "Doppelkonstruktion".
dd) Schicksal der Betriebsaufspaltung im Erbfall
Rz. 710
Durch den Erbfall, insbesondere aber durch die Erbteilung kann – oftmals ungewollt – eine bestehende Betriebsaufspaltung beendet werden. Wird nämlich im Zug der Erbauseinandersetzung die personelle und/oder sachliche Verflechtung zwischen dem Besitzunternehmen und dem Betriebsunternehmen gelöst (Entflechtung), kann es beim Besitzunternehmen zur Betriebsaufgabe und somit zur Versteuerung der stillen Reserven kommen.
Rz. 711
In diesem Zusammenhang kann nicht oft genug betont werden, dass zum Betriebsvermögen des Besitzunternehmens regelmäßig nicht nur die Wirtschaftsgüter zählen, die dem Betriebsunternehmen als wesentliche Betriebsgrundlagen zur Nutzung überlassen werden, sondern auch die Anteile am Betriebsunternehmen.
Rz. 712
Die Konsequenzen für die Beteiligten sollen anhand des nachfolgenden Beispiels verdeutlicht werden:
Beispiel
Erblasser E ist Eigentümer eines Hausgrundstücks in bester Innenstadtlage von Düsseldorf. Der Buchwert (= historische Anschaffungskosten abzüglich AfA) beträgt 500.000 EUR. Da das Grundstück mit einem gut vermieteten Bürogebäude bebaut ist, beträgt der Verkehrswert 5 Mio. EUR. E hat das Bürogebäude an die ebenfalls ihm gehörende (100 %) X-GmbH (Stammkapital = Anschaff...