aa) Grundsätzliches
Rz. 220
Das gesetzlich vorgesehene vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 199 ff. BewG) soll eine Möglichkeit eröffnen, ohne hohen Ermittlungsaufwand und Kosten für einen Gutachter einen objektivierten Unternehmens- bzw. Anteilswert auf der Grundlage der Ertragsaussichten, also entsprechend den Vorgaben des § 11 Abs. 2 S. 2 BewG, zu ermitteln. Dieses Verfahren kann stets angewendet werden, soweit es nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt. Zur Kontrolle sind ggf. Verkäufe nach dem Stichtag heranzuziehen; im Übrigen kann auch auf die Rechtsprechung zur Anwendung bzw. Nichtanwendung des Stuttgarter Verfahrens zurückgegriffen werden.
bb) Berechnungsformel
Rz. 221
Nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren stellt sich der gemeine Wert des Betriebsvermögens bzw. der Kapitalgesellschaft als Produkt aus nachhaltig erzielbarem Jahresertrag (§§ 201, 202 BewG) und Kapitalisierungsfaktor (§ 203 BewG) dar, § 200 Abs. 1 BewG.
Rz. 222
Das Verfahren ist rechtsformneutral und auf alle Arten des Betriebsvermögens (betriebsnotwendig / nicht betriebsnotwendig; Produktivvermögen / Verwaltungsvermögen) anzuwenden. Allerdings sieht § 200 BewG verschiedene Ertragskorrekturen vor, durch die u.a. rechtsformspezifische Besonderheiten, die sich auf die Zusammensetzung des Jahresertrages ausgewirkt haben, im Vorfeld der Kapitalisierung neutralisiert werden.
cc) Ermittlung des Jahresertrages
Rz. 223
Grundlage der Bewertung ist prinzipiell der zukünftig nachhaltig erzielbare Ertrag, also eine theoretische Größe. Soweit Finanz-Plandaten nicht verfügbar sind, muss für dessen Schätzung auf Durchschnittswerte aus der Vergangenheit zurückgegriffen werden. Im vereinfachten Ertragswertverfahren wird der zukünftige Ertrag daher unter Zugrundelegung der in der Vergangenheit tatsächlich erzielten Erträge geschätzt.
Rz. 224
Der maßgebliche Durchschnittsertrag ist nach § 201 Abs. 2 BewG möglichst aus den Betriebsergebnissen der letzten drei vor dem Bewertungsstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahre herzuleiten. Hat das letzte noch nicht abgelaufene Wirtschaftsjahr erkennbare Bedeutung für den zukünftig nachhaltig erzielbaren Ertrag, ist anstelle des drittletzten abgelaufenen Wirtschaftsjahres dieses (noch nicht abgelaufene) Wirtschaftsjahr einzubeziehen. Der Durchschnittsertrag ist das arithmetische Mittel der drei einbezogenen Jahreserträge (Divisor = 3).
Rz. 225
In einem sich dynamisch entwickelnden wirtschaftlichen Umfeld führt die bloße Fortschreibung der Ergebnisse der Vergangenheit oftmals zu unzutreffenden Ergebnissen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Charakter eines Unternehmens und damit auch seine Ertragsaussichten in der jüngeren Vergangenheit nachhaltig verändert haben. In solchen Fällen ist – soweit nicht nach R B 199.1 Abs. 6 ErbStR 2019 von einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis auszugehen ist – für die Ableitung des Durchschnittsertrages von einem verkürzten Analysezeitraum auszugehen, dessen Anfangspunkt dem Beginn der nachhaltigen Veränderungen entsprechen sollte. Dasselbe gilt auch für neu gegründete Unternehmen, die am Bewertungsstichtag seit weniger als drei Jahren bestehen.
Rz. 226
Ist die zu bewertende Gesellschaft aus einer Umstrukturierungsmaßnahme, zum Beispiel der Umwandlung einer Personengesellschaft oder einer Einzelfirma hervorgegangen, müssen bei der Ermittlung des Durchschnittsertrages die Betriebsergebnisse des bzw. der Vorgängerunternehmen zugrunde gelegt werden. Haben sich die Umstrukturierungen oder Rechtsformänderungen auf die zukünftigen Ertragsaussichten ausgewirkt, ist dies durch entsprechende Korrekturen der früheren Betriebsergebnisse (nach den Grundsätzen von § 202 BewG) zu berücksichtigen.
Rz. 227
Ausgangspunkt für die Bestimmung des zur Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens maßgeblichen Jahresertrages ist der Gewinn i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 1 EStG. Dieser ist aber nach § 202 Abs. 1 BewG um verschiedene, das nachhaltig erzielbare Ergebnis verfälschende Effekte zu korrigieren.
dd) Gesetzlich vorgeschriebene Ergebniskorrekturen
(1) Hinzurechnungen
Rz. 228
Gem. § 202 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a BewG sind zunächst sämtliche auf besonderen steuerrechtlichen Vorschriften beruhende Abschreibungen dem Betriebsergebnis wieder hinzuzurechnen. Eine Minderung des Ausgangswerts (Gewinn nach § 4 Abs. 1 bzw. Einnahmenüberschuss nach § 4 Abs. 3 EStG) ist stets nur i.H.d. normalen Abschreibungen zulässig. Diese erfasst neben der linearen auch die deg...