I. Umfang des Nachlasses
Rz. 652
Im Erbfall geht gemäß § 1922 Abs. 1 BGB das gesamte Vermögen des Erblassers einschließlich aller dazugehörenden Rechte und Pflichten automatisch – im Wege der Gesamtrechtsnachfolge – auf den oder die Erben über.
In ertragsteuerlicher Hinsicht gilt grundsätzlich die so genannte Fußstapfentheorie, der zufolge sämtliche in den Nachlass gefallenen Vermögensgegenstände beim Erben genauso anzusetzen sind wie zuvor beim Erblasser. Hinsichtlich des vererbten Betriebsvermögens ergibt sich dies aus § 6 Abs. 3 EStG. Im Privatvermögensbereich gilt entsprechendes über § 11d EStDV.
Rz. 653
Gelangen mehrere Personen nebeneinander zur Erbfolge, bilden sie eine Erbengemeinschaft (§§ 1922 Abs. 1, 2032 Abs. 1 BGB). Die Erbengemeinschaft ist eine Gesamthandgemeinschaft mit der Folge, dass die Miterben den Nachlass gemeinschaftlich verwalten und auch nur gemeinsam über einzelne Nachlassgegenstände verfügen können (§§ 2038 Abs. 1, 2040 Abs. 1 BGB).
Rz. 654
Bestandteile des Nachlasses sind gemäß § 45 AO u.a. auch Steuererstattungsansprüche bzw. Nachzahlungsverpflichtungen des Erblassers. Dies gilt sowohl für Steueransprüche, die Veranlagungszeiträume vor dem Todesjahr betreffen, als auch für solche, die sich auf das Todesjahr selbst beziehen (Rumpfsteuerjahr). Für das Todesjahr haben die Erben oder ggf. der Testamentsvollstrecker eine Einkommensteuererklärung (für den Erblasser) abzugeben.
Rz. 655
Ein nach § 10d EStG abziehbarer Verlustvortrag des Erblassers gehört nach Ansicht der Rechtsprechung nicht zum Nachlass. Der Erbe bzw. die Erben können ihn nicht bei ihrer eigenen Einkommensteuer geltend machen. Bereits früher war ein Verlustabzug durch den Erben nicht in Betracht gekommen, wenn dieser die Haftung auf den Nachlass beschränkt hatte.
Gemäß § 44 AO haften die Erben (gesamtschuldnerisch) für die Steuerschulden des Erblassers.
II. Unterscheidung von Erbfall und Erbauseinandersetzung
Rz. 656
Nach der Rechtsprechung des BFH ist (auch) im Einkommensteuerrecht grundsätzlich davon auszugehen, dass Erbfall und Erbauseinandersetzung keine rechtliche Einheit bilden, sondern zwei voneinander getrennte Vorgänge darstellen, die unabhängig voneinander steuerrechtlich zu würdigen sind. Vor dem Hintergrund, dass der Erbfall im Grunde genommen lediglich zu einer Auswechselung des Steuersubjekts von Gesetzes wegen führt, die nur in Ausnahmefällen (Entflechtung einer Betriebsaufspaltung, Zwangsentnahme von Sonderbetriebsvermögen) eine Gewinnrealisierung darstellen kann, ist diese Unterscheidung absolut logisch.
III. Einkünfteerzielung durch Nutzung des Nachlassvermögens
1. Einkünfte aus Gegenständen des (steuerlichen) Privatvermögens
Rz. 657
Die Erbengemeinschaft bzw. der Nachlass kann durch Nutzung von Nachlassvermögen Einkünfte erzielen. So können z.B. zum Nachlass gehörende Privatimmobilien sowie Kapitalvermögen nach dem Erbfall durch die Erbengemeinschaft weiterhin Ertrag bringend genutzt werden. Soweit der Erbengemeinschaft dabei Einkünfte zufließen, verwirklichen die Miterben gemeinsam den jeweiligen Tatbestand der Einkünfteerzielung (z.B. § 20 bzw. § 21 EStG). Grundsätzlich werden die erzielten Einkünfte den Miterben entsprechend ihrer Erbteile zugerechnet.
2. Einkünfte aus einer im Nachlass befindlichen Freiberuflerpraxis
Rz. 658
Gehört zum Nachlass eine freiberufliche Praxis, kann auch die Erbengemeinschaft (jedenfalls theoretisch) Einkünfte aus selbstständiger Arbeit gemäß § 18 EStG erzielen. Soweit eine besondere berufsrechtliche Qualifikation erforderlich ist, müssen aber alle Miterben diese besitzen. Dies dürfte in der Praxis dürfte die Ausnahme sein.
Rz. 659
Denn wenn auch nur einer der Miterben die entsprechende Qualifikation nicht besitzt, erzielt die Erbengemeinschaft insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die grundsätzlich gemäß § 2 GewStG auch der Gewerbesteuer unterliegen. Diese Rechtsfolge lässt sich jedoch vermeiden, wenn die Erbengemeinschaft (maximal) binnen sechs Monaten die Praxis auf einen qualifizierten Berufsträger übergehen lässt, was aber seinerseits regelmäßig zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn der Erbengemeinschaft (§§ 18 Abs. 3, 16 Abs. 1 EStG) führen wird. Unter Umständen können die Vergünstigungen nach §§ 16 Abs. 4, ...