1. Einkünfte aus Gegenständen des (steuerlichen) Privatvermögens
Rz. 657
Die Erbengemeinschaft bzw. der Nachlass kann durch Nutzung von Nachlassvermögen Einkünfte erzielen. So können z.B. zum Nachlass gehörende Privatimmobilien sowie Kapitalvermögen nach dem Erbfall durch die Erbengemeinschaft weiterhin Ertrag bringend genutzt werden. Soweit der Erbengemeinschaft dabei Einkünfte zufließen, verwirklichen die Miterben gemeinsam den jeweiligen Tatbestand der Einkünfteerzielung (z.B. § 20 bzw. § 21 EStG). Grundsätzlich werden die erzielten Einkünfte den Miterben entsprechend ihrer Erbteile zugerechnet.
2. Einkünfte aus einer im Nachlass befindlichen Freiberuflerpraxis
Rz. 658
Gehört zum Nachlass eine freiberufliche Praxis, kann auch die Erbengemeinschaft (jedenfalls theoretisch) Einkünfte aus selbstständiger Arbeit gemäß § 18 EStG erzielen. Soweit eine besondere berufsrechtliche Qualifikation erforderlich ist, müssen aber alle Miterben diese besitzen. Dies dürfte in der Praxis dürfte die Ausnahme sein.
Rz. 659
Denn wenn auch nur einer der Miterben die entsprechende Qualifikation nicht besitzt, erzielt die Erbengemeinschaft insgesamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die grundsätzlich gemäß § 2 GewStG auch der Gewerbesteuer unterliegen. Diese Rechtsfolge lässt sich jedoch vermeiden, wenn die Erbengemeinschaft (maximal) binnen sechs Monaten die Praxis auf einen qualifizierten Berufsträger übergehen lässt, was aber seinerseits regelmäßig zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn der Erbengemeinschaft (§§ 18 Abs. 3, 16 Abs. 1 EStG) führen wird. Unter Umständen können die Vergünstigungen nach §§ 16 Abs. 4, 34 EStG gewährt werden.
3. Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen
Rz. 660
Im Nachlass befindliche gewerbliche Unternehmen werden ebenfalls Gesamthandsvermögen der Miterben. Diese erlangen dadurch automatisch die Stellung von Mitunternehmern gemäß § 15 Abs. 1 EStG. Denn die Mitgliedschaft in einer Erbengemeinschaft vermittelt regelmäßig Mitunternehmerrisiko sowie Mitunternehmerinitiative im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Die Erbengemeinschaft wird daher auch als "geborene Mitunternehmerschaft" bezeichnet. Die Anteile an Gewinn und Verlust bestimmen sich regelmäßig anhand der Erbquoten.
Rz. 661
Die Qualifikation der erzielten Einkünfte richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 13–18 EStG. Dabei kann es gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 EStG dazu kommen, dass nunmehr auch Einnahmen einzelner Erben aus mit dem ererbten Unternehmen abgeschlossenen Dienst-, Darlehens- oder sonstigen Gebrauchsüberlassungsverhältnissen als gewerbliche Einkünfte gelten.
Rz. 662
Wie gesagt, werden die laufenden Einkünfte den einzelnen Miterben grundsätzlich entsprechend ihrer Erbquote zugerechnet. Etwas anderes gilt aber, wenn die Erbengemeinschaft sich innerhalb von sechs Monaten seit dem Erbfall (wenigstens teilweise) auseinandersetzt. Dann können nämlich die bis zur Durchführung der Auseinandersetzung erzielten Einkünfte dem Empfänger der jeweiligen Einkunftsquelle allein zugerechnet werden.