1. Grundsätzliches
Rz. 818
Sonderregelungen enthält das GrEStG für Grundstücksübergänge zwischen Gesamthändern und der Gesamthand als solchen (und zwar in beiden Richtungen) sowie zwischen verschiedenen Gesamthandsgemeinschaften, an denen (vollständig oder teilweise) dieselben Personen beteiligt sind. Insoweit regelt § 5 GrEStG den Übergang von mehreren Miteigentümern (Abs. 1) oder von einem Alleineigentümer (Abs. 2) auf eine Gesamthand. § 6 Abs. 1 GrEStG beschäftigt sich mit dem Übergang von einer Gesamthand in das Miteigentum mehrerer Gesamthänder, § 6 Abs. 2 GrEStG mit dem Übergang in das Alleineigentum eines Gesamthänders. § 6 Abs. 3 GrEStG schließlich hat den Übergang von einer Gesamthand auf eine andere zum Gegenstand.
Rz. 819
§§ 5 und 6 GrEStG dienen dazu, den einzelnen Gesamthändern – abweichend von der zivilrechtlichen Rechtslage – "ideelle Bruchstücke" an dem von der Gesamthand gehaltenen bzw. auf diese zu übertragenden Grundbesitz zuzuweisen. Denn soweit der (an sich steuerpflichtige) Erwerb dem jeweiligen Gesamthänder (wirtschaftlich) zuzurechnen ist, erfolgt gar kein Grundstücksumsatz im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne mit der Folge, dass eine Besteuerung nicht angezeigt ist.
Rz. 820
Zu den Gesamthandsgemeinschaften im Sinne der §§ 5 u. 6 GrEStG zählen die oHG (§ 105 HGB), die KG (§ 161 HGB), die GbR (§ 705 BGB), die Partnerschaftsgesellschaft sowie die Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB). Letztere bleibt auch dann Gesamthand im Sinne des GrEStG, wenn sich ihre Zusammensetzung durch einen Erbteilskauf (§§ 2033 ff. BGB) verändert.
Rz. 821
Keine Gesamthandseigenschaft haben die KGaA, da ihr Vermögen keiner gesamthänderischen Bindung unterliegt, sowie die stille Gesellschaft, bei der es sich zwar um eine Personengesellschaft handelt, die jedoch über kein Gesamthandsvermögen verfügt.
Personengesellschaften, die nach § 1a KStG zur Körperschaftsteuer optiert haben, sind von der Anwendung der Privilegierungen nach §§ 5 GrEStG ausgenommen, § 5 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 GrEStG. Einschränkungen gelten auch beim Grundstücksübergang von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand, wenn die erwerbende Gesamthand zur Körperschaftsteuer optiert hat, § 6 Abs. 3 S. 4 GrEStG
Rz. 822
Die Tatbestände der §§ 5 u. 6 GrEStG erfordern jeweils, dass ein Grundstück von einer Gesamthand oder auf eine Gesamthand "übergeht". Übergang in diesem Sinne setzt einen Eigentümerwechsel von bzw. auf die Gesamthand voraus. Der Grundstücksbegriff entspricht dem des § 2 GrEStG. Die Anwendbarkeit der §§ 5 u. 6 GrEStG ist nicht auf die Erwerbstatbestände nach § 1 Abs. 1 und 2 GrEStG beschränkt. Sie kommt vielmehr auch in Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG in Betracht.
Rz. 823
Entscheidend für die Anwendbarkeit der §§ 5 u. 6 GrEStG ist die sachenrechtliche Mitberechtigung des das Grundstück einbringenden bzw. von der Gesamthand erwerbenden Gesamthänders. Liegt eine solche nicht vor, sind §§ 5 u. 6 GrEStG nicht anwendbar. Soweit eine sachenrechtliche Mitberechtigung des Gesamthänders gegeben ist, entscheidet die vermögensmäßige Beteiligung des betroffenen Gesamthänders über den Umfang der zu gewährenden Steuervergünstigung. Vor diesem Hintergrund ist beispielsweise eine mit 0 % am Vermögen der KG beteiligte Komplementär-GmbH aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der KG sachenrechtlich an dem von der KG gehaltenen Grundbesitz mitberechtigt. Eine vermögensmäßige Beteiligung steht ihr aber dessen ungeachtet nicht zu, sodass die §§ 5 u. 6 GrEStG im Falle von Grundstücksumsätzen zwischen der KG und der Komplementär-GmbH grundsätzlich anwendbar sind, eine Steuerbefreiung aber dennoch nicht stattfindet.
Rz. 824
Maßgeblich sind insoweit grundsätzlich die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer. Die sachenrechtliche Mitberechtigung des Gesamthänders muss deshalb im Rahmen der Anwendung von § 5 GrEStG (für § 6 GrEStG gilt die Sonderregelung in § 6 Abs. 4 GrEStG) spätestens dann bestehen, wenn der Erwerbsvorgang wirksam, mithin also der steuerpflichtige Tatbestand verwirklicht wird und die Steuer entsteht. Insoweit kommt es auf den Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts an, und zwar auch dann, wenn dieses aufschiebend bedingt bzw. genehmigungsbedürftig ist und die Steuer erst zu einem späteren Zeitpunkt entsteht.
Rz. 825
Für den Umfang der Steuervergünstigung ist – wie bereits angesprochen – allein die Beteiligung am Vermögen maßgeblich. Gewinn- bzw. Verlustbeteiligung oder auch eine etwa abweichende Auseinandersetzungsquote spielen insoweit keine Rolle. Bei der Erbengemeinschaft sowie der Gütergemeinschaft richtet sich allerdings die Vermögensbeteiligung stets nach den Auseinandersetzungsanteilen.
Zum 1.1.2024 ist mit einer umfassenden Anpassung des GrEstG an das zum selben Zeitpunkt in Kraft tretende MoPeG zu rechnen, die insbesondere auch die §§ 5–7 GrEStG betreffen wird. Diese sollen vor allem der Einführung der rechtsfähigen GbR (§§ 706 ff. BGB nF) gesetzestechnisch Rechnung tragen, i...