1. Allgemeines
Rz. 138
Rz. 139
Gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG gilt die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist, als steuerpflichtiger Erwerb. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung ist gemäß § 11 ErbStG der Zeitpunkt der Steuerentstehung, also im Regelfall der Tod des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) bzw. der Ausführung der Schenkung.
Rz. 140
Zur Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs werden zunächst die abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 Abs. 5–9 ErbStG, vgl. Rdn 143 f.) von den Nachlassaktiva (zur Bewertung vgl. Rdn 155 ff.) subtrahiert. Denn Besteuerungsobjekt der Erbschaftsteuer ist grundsätzlich der Zuwachs an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit beim Erwerber, der sich nicht aus dem Brutto-, sondern aus dem Nettoerwerb des Begünstigten ergibt.
2. Schulden im Zusammenhang mit vermögensverwaltenden Personengesellschaften
Rz. 141
Für Beteiligungen an vermögensverwaltenden Personengesellschaften stellt § 10 Abs. 1 S. 4 ErbStG klar: "Der unmittelbare oder mittelbare Erwerb einer Beteiligung an einer Personengesellschaft oder einer anderen Gesamthandsgemeinschaft, die nicht unter § 97 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 des Bewertungsgesetzes fällt, gilt als Erwerb der anteiligen Wirtschaftsgüter; die dabei übergehenden Schulden und Lasten der Gesellschaft sind bei der Ermittlung der Bereicherung des Erwerbers wie eine Gegenleistung zu behandeln."
Rz. 142
Insoweit geht es vor allem um fremdfinanzierte Erwerbe von Beteiligungen an vermögensverwaltenden Personengesellschaften, u.a. von Fondsanteilen oder ungeteilten Erbengemeinschaften. Schon nach früherem Recht wurden die beim Erwerb übernommenen Fremdverbindlichkeiten (die z.B. aufgrund einer Kreditfinanzierung des Anteilserwerbs herstammen), als anteilige Schulden des anteiligen Vermögensgegenstandes, z.B. des durch die Beteiligung vermittelten Grundstücksanteils, hier anteilig abgezogen. Dies gilt auch nach aktuellem Recht. Die anteiligen Gesellschaftsschulden stellen beim Erwerb von Todes wegen Nachlassverbindlichkeiten dar. Beim Erwerb unter Lebenden sind die Grundsätze der gemischten Schenkung anzuwenden.
3. Zu berücksichtigende Verbindlichkeiten
Rz. 143
Im Bereich der abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten nennt der Gesetzgeber in § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG zunächst die so genannten Erblasserschulden, also die von dem Verstorbenen selbst begründeten und seinen Erben hinterlassenen Verbindlichkeiten. Insoweit kommt ausschließlich ein Abzug durch den oder die Erben in Betracht, weil nur diese im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge in die Verpflichtungen des Erblassers eintreten (§ 1967 BGB). Zu beachten ist hier allerdings, dass solche Verbindlichkeiten, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb stehen, primär im Rahmen der Bewertung dieses Betriebes Berücksichtigung finden (§ 12 Abs. 5 ErbStG) und nur ein dort etwa nicht in die Bewertung eingeflossener Teil nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abgezogen werden kann.
Rz. 144
Zu den Erblasserschulden im Sinne von § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG gehören neben Darlehens- und ähnlichen Verbindlichkeiten auch Verpflichtungen aus laufenden Dauerschuldverhältnissen, die durch den Tod des Erblassers nicht enden. Diese sind bis zum frühestmöglichen Kündigungstermin abzugsfähig. Ebenso gehören hierher vom Erblasser hinterlassene Steuerschulden, und zwar sowohl im Bereich der Einkommensteuer als auch beispielsweise Erbschaft- oder Schenkungsteuerverpflichtungen des Erblassers, die aus diesem zu Lebzeiten angefallenen Erbschaften oder Schenkungen resultieren. Schließlich bildet auch die Zugewinnausgleichsforderung des überlebenden Ehegatten, die dieser den Erben gegenüber geltend machen kann, eine Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG.
Rz. 145
Neben den Erblasserschulden sind gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG auch die so genannten Erbfallschulden, also solche Verbindlichkeiten, die ihren Entstehungsgrund im Erbfall selbst haben, abzugsfähig. Hierher gehören z.B. geltend gemachte Pflichtteilsansprüche oder aufgrund letztwilliger Verfügung des Erblassers zu erfüllende Vermächtnisse und Auflagen, die ebenfalls die Bereicherung des beschwerten Erben oder Vermächtnisnehmers mindern. Auch Auflagenverpflichtungen können gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG abgezogen werden.
Rz. 146
Als sonstige abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten nennt § 10 Abs. 5 Nr. 3 Er...