1. Bewertungsgrundsätze
Rz. 155
Um die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer nach der allgemeinen Formel Bemessungsgrundlage x Steuersatz ermitteln zu können, ist es erforderlich, diese Bemessungsgrundlage zu bestimmen. Nachdem unter Anwendung der §§ 3–8 ErbStG die Frage geklärt wurde, ob und inwieweit überhaupt ein steuerpflichtiger Vorgang vorliegt, ist im Rahmen der Wertermittlung dessen Umfang zu klären. Dabei bestimmt sich nach § 10 ErbStG zunächst, welche Vermögensgegenstände und Schulden bzw. sonstige Verbindlichkeiten im Rahmen der Steuerberechnung anzusetzen sind. § 12 regelt sodann deren Bewertung (im engeren Sinne) auf den Stichtag gem. § 11 ErbStG. Das Ziel der Bewertung besteht darin, den Wert sämtlicher relevanten Aktiva und Passiva in einem Geldbetrag auszudrücken, um diesen der weiteren Steuerberechnung zugrunde zu legen.
Rz. 156
Als allgemeinen Bewertungsmaßstab hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschl. v. 7.11.2006 den Verkehrswert bzw. einen dem Verkehrswert angenäherten Wert vorgegeben. Der Gesetzgeber hat sich diesen Begriff nicht zu Eigen gemacht, sondern – wie auch nach früherem Recht – am gemeinen Wert als oberstem Wertmaßstab festgehalten.
Rz. 157
Der gemeine Wert zum Bewertungsstichtag (§ 11 ErbStG) kann aber nicht allgemein mit dem Verkehrswert im Sinne der zivilrechtlichen Rechtsprechung gleichgesetzt werden. Denn teilweise steht das dem Erbschaftsteuer- und Bewertungsrecht zugrunde liegende statische Stichtagsprinzip im Widerspruch zu den die zivilrechtliche Betrachtung prägenden betriebswirtschaftlichen Grundsätzen. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit der Bewertung von Unternehmen, die auf zukünftigen Ertragserwartungen aufbaut. Zum anderen sieht das Gesetz selbst aus Vereinfachungs- und Praktikabilitätserwägungen normative Verallgemeinerungen vor, die von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abstrahierende Vorgaben enthalten und so zu Abweichungen vom tatsächlichen Verkehrswert führen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Vorschriften zur Unternehmensbewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren (§§ 199–203 BewG) sowie zur Bewertung bebauter Grundstücke im Sachwertverfahren (§ 182 Abs. 4 BewG) oder im Ertragswertverfahren (§ 185 BewG) zu erwähnen.
Rz. 158
Mithin ist nach wie vor die der Wertermittlung vorgelagerte Frage, ob überhaupt eine Bereicherung im erbschaft- bzw. schenkungsteuerrechtlichen Sinne vorliegt, anhand der nach bürgerlich-rechtlichen bzw. betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelten Verkehrswerte zu klären.
2. Gegenstand der Bewertung – wirtschaftliche Einheit
Rz. 159
Der Gegenstand der erbschaftsteuerrechtlichen Bewertung wird (über § 12 Abs. 1 ErbStG) in § 2 BewG als sog. wirtschaftliche Einheit definiert. Gem. § 2 Abs. 1 S. 1 BewG ist jede wirtschaftliche Einheit für sich zu bewerten, woraus im Umkehrschluss folgt, dass Einzelgegenstände, die zusammen mit anderen Gegenständen eine wirtschaftliche Einheit bilden, nicht jeweils getrennt voneinander, sondern zusammengefasst (als wirtschaftliche Einheit) zu bewerten sind (vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 BewG). Diese Vorgabe führt dazu, dass die einzelnen in einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefassten Vermögensgegenstände bzw. Wirtschaftsgüter zwar nicht selbstständig bewertet werden, aber als Bewertungsfaktoren in die Ermittlungen des Werts der wirtschaftlichen Einheit einfließen.
Rz. 160
Werden in einer wirtschaftlichen Einheit zusammenzufassende Einzel-Wirtschaftsgüter durch entsprechende schenkungsvertragliche Vereinbarungen oder letztwilligen Verfügungen unterschiedlichen Erwerbern (die insoweit keine Gesamthandsgemeinschaft bilden) zugewiesen, werden sie hierdurch aus der wirtschaftlichen Einheit herausgelöst; sie sind dann einzeln zu bewerten. Denn die Bestimmung des Erwerbsgegenstandes richtet sich grundsätzlich nach der zivilrechtlichen Rechtslage und geht den bewertungsrechtlichen Vorschriften vor.
Rz. 161
Gem. § 2 Abs. 2 BewG setzt die Zusammenfassung von Wirtschaftsgütern in wirtschaftlichen Einheiten des Weiteren grundsätzlich voraus, dass alle diese Wirtschaftsgüter im Eigentum desselben Steuerpflichtigen stehen.