1. Erbrechtliche Lösung
Rz. 294
Erbrechtlich erhält der Zugewinnehegatte eine pauschale Erhöhung der Erbquote um ¼ nach § 1371 Abs. 1 BGB. Nach § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG bleibt aber nur der Betrag steuerfrei, der als güterrechtliche Ausgleichsforderung hätte geltend gemacht werden können. Er muss deshalb berechnet werden. Dabei gilt: Vereinbarungen, die von den §§ 1373–1383 und 1390 BGB abweichen, bleiben unberücksichtigt (§ 5 Abs. 1 S. 2 ErbStG). Die Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB, wonach die Ehegatten jeweils ohne Anfangsvermögen in die Ehe gegangen sind, wenn sie nichts anderes vereinbaren, ist nicht anwendbar (§ 5 Abs. 1 S. 3 ErbStG). Eine rückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft wird nicht akzeptiert (§ 5 Abs. 1 S. 4 ErbStG). Nominelle Wertsteigerungen werden eliminiert, indem das Anfangsvermögen indexiert wird.
Rz. 295
Die Ausgleichsforderung beruht auf den Verkehrswerten. Erbschaftsteuerrechtlich ist auch dies ggf. zu korrigieren(§ 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG). Dafür ist eine Verhältnisrechnung anzustellen:
▪ |
Erster Schritt: Für jeden Ehegatten wird das Anfangs- und das Endvermögen nach zivilrechtlichen Grundsätzen ermittelt, also zu den Verkehrswerten, und durch Zu- und Abrechnungen nach den §§ 1374 ff. BGB korrigiert. Ergibt sich hierbei eine Ausgleichsforderung, schließt sich der nächste Schritt an. |
▪ |
Zweiter Schritt: Der Wert des Endvermögens des verstorbenen Ehegatten wird erneut berechnet, diesmal nach den Steuerwerten. Dabei wird alles berücksichtigt, was im bürgerlichrechtlichen Endvermögen enthalten ist, auch wenn es nicht zum steuerpflichtigen Erwerb gehört, z.B. deshalb, weil es steuerbefreit ist. |
▪ |
Dritter Schritt: Ist der Steuerwert des Endvermögens niedriger als der Verkehrswert, wird die Ausgleichsforderung im Verhältnis von Verkehrswert zu Steuerwert des Endvermögens aufgeteilt. Das ergibt den nach § 5 Abs. 1 ErbStG steuerfreien Betrag. Diese Verhältnisrechnung wird auch durchgeführt, wenn der Steuerwert des Nachlasses negativ ist. |
Rz. 296
Nach der Neufassung von § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG kommt es nach dem Gesetzeswortlaut auf den Wert des Endvermögens, nicht auf den Wert des Nachlasses an.
Beispiel
Anfangsvermögen beider Ehegatten jeweils 0 EUR
Endvermögen des Ehemannes:
Verkehrswert = 1,5 Mio. EUR
Steuerwert = 1,2 Mio. EUR
Endvermögen der Ehefrau:
Verkehrswert = 500.000 EUR
Steuerwert = 500.000 EUR
Zugewinnausgleichsforderung der Ehefrau = 500.000 EUR
Steuerliche Korrektur der Ausgleichsforderung:
Daraus ergibt sich für die Ehefrau folgende Steuerberechnung:
Steuerwert des Nachlasses |
1.200.000 EUR |
– |
nicht steuerbare fiktive Zugewinnausgleichsforderung (§ 5 Abs. 1 ErbStG) |
400.000 EUR |
– |
persönlicher Freibetrag (§ 15 ErbStG) |
500.000 EUR |
steuerpflichtiger Erwerb |
300.000 EUR |
Rz. 297
Vor dem Hintergrund dieser Verhältnisrechnung wird der überlebende Ehegatte bei seiner Entscheidung, die erbrechtliche oder die güterrechtliche Lösung zu wählen, in vielen Fällen auch erbschaftsteuerrechtliche Gesichtspunkte in seine Überlegungen mit einzubeziehen haben, denn wenn die Ehefrau in der obigen Situation die Erbschaft ausschlagen und ihren realen Zugewinnausgleichsanspruch geltend machen würde, wäre dieser in voller Höhe, also unabhängig von den Steuerwerten des Nachlasses, erbschaftsteuerfrei.
2. Güterrechtliche Lösung
Rz. 298
Alternativ kann der letztversterbende Ehegatte die Erbschaft ausschlagen, den güterrechtlichen Zugewinnausgleich verlangen und zusätzlich den kleinen Pflichtteil. Die Ausgleichsforderung, die sich im güterrechtlichen Ausgleich ergibt, ist immer und in voller Höhe nach § 5 Abs. 2 ErbStG steuerfrei. Nach Meinung der Finanzverwaltung kann allerdings eine Schenkung vorliegen, wenn einem Ehegatten eine Ausgleichsforderung verschafft wird, die über das hinausgeht, was sich nach den §§ 1373–1383 und 1390 BGB ergeben hätte, und die Eheleute damit in erster Linie nicht güterrechtliche, sondern erbrechtliche Wirkungen herbeiführen wollen.
Rz. 299
Allerdings hat das FG Düsseldorf im Jahr 2005 einen lebzeitigen Zugewinnausgleich, dessen Berechnung eine zivilrechtlich wirksam vereinbarte Rückwirkung auf den Tag der Eheschließung zugrunde lag, auch schenkungsteuerrechtlich, also im Rahmen von § 5 Abs. 2 ErbStG anerkannt. Dies insbesondere deshalb, weil hier tatsächlich ein materiellrechtlich bestehender zivilrechtlicher Anspruch erfüllt werde und daher keine Schenkung vorliegen könne.
3. Anrechnung von Zuwendungen
Rz. 300
Werden Zuwendungen (Schenkungen) nach § 1380 BGB auf die Ausgleichsforderung angerechnet, wird das in den Fällen des § 5 Abs. 2 ErbStG über § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG neutralisiert, sodass die Besteuerung der...