1. Grundsätzliches
Rz. 543
Neben der Einhaltung der Lohnsumme muss das im Besteuerungszeitpunkt vorhandene begünstigte Betriebsvermögen über die Behaltensfrist von fünf Jahren bei der Regelverschonung bzw. sieben Jahre bei der Optionsverschonung nach der Übertragung im Betrieb erhalten werden. Soweit dagegen verstoßen wird, fällt nach § 13a Abs. 6 S. 1 ErbStG sowohl der Verschonungsabschlag von 85 v.H. bzw. 100 v.H. als auch der Abzugsbetrag (§ 13b Abs. 2 ErbStG) sowie die Tarifermäßigung (§ 19a ErbStG) mit Wirkung für die Vergangenheit weg.
Die Nachversteuerung findet in dem Umfang statt, die sich aus dem Verhältnis der verbleibenden Jahre der Behaltensfrist einschließlich des Jahres des schädlichen Vorgangs zur gesamten Behaltensfrist ergibt (§ 13a Abs. 6 S. 2 ErbStG). Ein schädliches Ereignis im dritten Jahr nach der Übertragung führt dann nur zu einem rückwirkenden Wegfall des Verschonungsabschlags von 3/5. Der Verschonungsabschlag beträgt damit nur noch 34 v.H. bei der Regelverschonung (2/5 von 85 v.H.) bzw. 28,6 v.H. bei der Optionsverschonung (2/7 von 100 v.H.).
Die Behaltensfrist ist taggenau zu bestimmen. Sie beträgt fünf Jahre bei Regelverschonung (§ 13a Abs. 6 S. 1 ErbStG) und sieben Jahre bei der Volllverschonung (§ 13a Abs. 6 S. 1 i.V.m. Abs. 10 Nr. 2 ErbStG). Maßgeblich für die Fristberechnung ist der Abschluss des obligatorischen Geschäfts, nicht der Wirksamkeit oder der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums.
2. Behaltensregelungen für Betriebsvermögen (Personengesellschaften)
a) Betriebsveräußerung
Rz. 544
Den Ausgangspunkt der Behaltensregelungen bildet der Fall der Veräußerung des begünstigt erworbenen Vermögens. Zusätzlich regelt § 13a Abs. 6 ErbStG aber noch eine Vielzahl weiterer Tatbestände, die ebenfalls einen Behaltensfristverstoß darstellen sollen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie in sachlicher Hinsicht die Fortführung des erworbenen Betriebs durch den bzw. in der Hand des (begünstigten) Erwerbers oder – im Falle einer begünstigungsunschädlichen unentgeltlichen Weiterübertragung – seines Rechtsnachfolgers verlangen. Der Grund eines etwaigen Verstoßes gegen die Fortführungsbedingungen ist grds. irrelevant.
Rz. 545
Veräußerung meint in diesem Zusammenhang die entgeltliche oder teilentgeltliche Übertragung des Eigentums an einem Gegenstand von einer Person auf eine andere. Die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums kann – steuerrechtlich – genügen. Konstitutiv ist aber jedenfalls die Übertragung der Vermögenssubstanz, so dass die Einräumung von Nutzungsrechten grds. keine Veräußerung darstellt.
Rz. 546
Einer Veräußerung gleichgestellt ist die Aufgabe des Betriebs (oder Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils). Auch hier ist der Grund für die Aufgabe irrelevant. Selbst die Veräußerung bzw. Aufgabe wegen der Erteilung eines Berufsverbots oder wegen des Eintritts einer Insolvenz stellen also jeweils einen Behaltensfristverstoß dar.
Nach Ansicht der Finanzverwaltung stellt bereits die Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Behaltensfristverstoß dar. Der BFH unterscheidet insoweit aber zwischen Insolvenzen bei Kapital- und bei Personengesellschaften. Denn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt zwar grds. zur Auflösung der Gesellschaft (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 1 GmbHG; § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG; § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB bei der OHG; § 161 Abs. 2 i.V.m. § 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB bei der KG). Bei Personengesellschaften hat dies aber nicht automatisch eine (fiktive) Veräußerung oder Betriebsaufgabe zur Folge.
Rz. 547
Als Behaltensfristverstoß gilt auch die Weitergabe des begünstigten Vermögens als Abfindung i.S.v. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG oder zur Erfüllung anderer schuldrechtlicher Ansprüche (Geldvermächtnisse, Pflichtteils- oder Zugewinnausgleichsansprüche).
Rz. 548
Nach § 13a Abs. 6 S. 1 ErbStG dauert die Behaltensfrist exakt fünf Jahre, im Fall der Vollverschonung sieben Jahre (§ 13a Abs. 10 ErbStG). Sie beginnt jeweils um 0.00 Uhr des auf den Tag der Steuerentstehung folgenden Tages zu laufen und endet exakt fünf bzw. sieben Jahre später. Fällt der letzte Tag der Frist nicht auf einen Werktag, ändert dies nichts am Fristende.
Verstirbt der begünstigte Erwerber während der Behaltensfrist, endet diese im Zeitpunkt seines Todes; die gewährten Verschonungen bleiben ungeschmälert erhalten.
Rz. 549
Grundsätzlich erfasst § 13a Abs. 6 ErbStG das gesamte begünstigt erworbene Vermögen, also sämtliche Vermögensgegenstände, für die der Verschonungsabschlag (§ 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG) und/oder der Abzugsbetrag (§ 13a Abs. 2 ErbStG) gewährt wurde.
Da dies beim jungen Verwaltungsvermögen i.S.v. § 13b Abs. 7 S. 2 ErbStG sowie bei den jungen Finanzmitteln i.S.v. § 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 2 ErbStG nicht der Fall sein kann, gilt für diese Vermögensteile keine Behaltensfrist.