Rz. 329

Wird Vermögen innerhalb kurzer Zeit mehrfach von Personen des engsten Familienkreises erworben, also innerhalb der Steuerklasse I, kann es zu einer übermäßig hohen Belastung kommen, wenn die Freibeträge nicht ausreichen. § 27 ErbStG wirkt dem entgegen, indem die Erbschaftsteuer auf den zweiten Vermögensübergang ermäßigt wird. Die Ermäßigung ist gestaffelt, je nach der Zeit, die zwischen dem Vorerwerb und dem Folgeerwerb liegt. Der Vorerwerb darf allerdings längstens zehn Jahre vor dem letzten Erwerb stattgefunden haben. Nach dem Wortlaut des § 27 ErbStG gibt es eine Ermäßigung nur für einen Folgeerwerb von Todes wegen. Der BFH[441] hält sich an den Wortlaut und kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass die Vorschrift auf einen Folgeerwerb durch Schenkung nicht anwendbar ist. Als Vorerwerbe kommen allerdings sowohl Erwerbe von Todes wegen als auch Schenkungen unter Lebenden in Betracht.

 

Rz. 330

Am Vorerwerb und am Folgeerwerb müssen jeweils Personen der Steuerklasse I beteiligt sein. Es ist nicht erforderlich, dass der Letzterwerber im Verhältnis zum Erblasser oder Schenker, der den Vorerwerb veranlasst hat, zur Steuerklasse I gehört. Steuerklasse I im Verhältnis zum Veranlasser des Folgeerwerbs genügt.

 

Beispiel

Sohn S hat seinen Vater V beerbt. Kurz danach wird er seinerseits von seiner Ehefrau E beerbt. Sie ist im Verhältnis zu V Schwiegertochter und gehört daher der Steuerklasse II an. Da sie im Verhältnis zu ihrem Ehemann S in die Steuerklasse I fällt, ist § 27 ErbStG anwendbar.

 

Rz. 331

Ob die Steuerklasse I beim Vorerwerb vorliegt, entscheidet sich nach den Verhältnissen beim Vorerwerb; maßgeblich ist jeweils der einzelne Erwerbsvorgang.

 

Rz. 332

Erneut übergehen muss dasselbe Vermögen. Wirtschaftliche Identität genügt. Anders als bei § 13 Abs. 1 Nr. 10 ErbStG muss es sich nicht um dieselben Vermögensgegenstände handeln.[442] Surrogate sind daher begünstigt.[443]

§ 27 ErbStG ist nur einschlägig, wenn der Vorerwerb besteuert worden ist.[444] Es muss dafür Erbschaft- oder Schenkungsteuer festgesetzt worden sein.

 

Rz. 333

§ 27 Abs. 3 ErbStG begrenzt die Ermäßigung der Steuer für das begünstigte Vermögen auf den Betrag, der sich bei Anwendung der in Abs. 1 genannten Hundertsätze auf die Steuer ergibt, die der Vorerwerber für das begünstigte Vermögen tatsächlich entrichtet hat. Geht es zweimal um dasselbe Vermögen, ergibt sich der Ermäßigungsbetrag bei gleichen Wertverhältnissen nach Ermittlung der Steuer für den Folgeerwerb unmittelbar aus § 27 Abs. 1 ErbStG. Wird begünstigtes und anderes Vermögen erworben, muss zunächst die Verhältnisrechnung nach § 27 Abs. 2 ErbStG durchgeführt werden. Sie ergibt den Wert, auf den der nach § 27 Abs. 1 ErbStG ermäßigte Steuersatz anzuwenden ist. Die Ermäßigung, die sich daraus errechnet, ist ggf. nach § 27 Abs. 3 ErbStG zu ermäßigen.

[441] BFH v. 16.7.1997 – II B 99/96, BStBl II 1997, 625; Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 27 Rn 11.
[443] Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 22 Rn 20.

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