I. Richterlicher Hinweis
1. Ausdrücklicher Hinweis
Rz. 9
Das Gericht hat dem Betroffenen Gelegenheit zum Widerspruch zu geben (§ 72 Abs. 1 S. 2 OWiG). Dieser Hinweis muss ausdrücklich (OLG Koblenz zfs 2005, 102) und von dem mit der Sache befassten und nicht einem früher zuständigen Gericht gegeben werden (OLG Düsseldorf NZV 2010, 162). Es reicht nicht, dass die Absicht des Gerichtes anlässlich der Akteneinsicht erkennbar war (OLG Köln NZV 1992, 261).
2. Hinweis nicht erforderlich, wenn Anregung vom Betroffenen ausging
Rz. 10
Ein Hinweis ist dann entbehrlich, wenn der Betroffene oder sein Verteidiger selbst angeregt haben, im Beschlussverfahren zu entscheiden (OLG Hamm NZV 1993, 324).
II. Zustellung
1. Förmliche Zustellung
Rz. 11
Nach h.M. ist die förmliche Zustellung des Hinweises Zulässigkeitsvoraussetzung für das Beschlussverfahren (OLG Köln NZV 1992, 461; BayObLG NZV 1994, 492; OLG Koblenz zfs 2005, 102; a.M. OLG Düsseldorf NZV 1990, 163).
2. Zustellung an Verteidiger nicht notwendig
Rz. 12
Seit der Reform des Ordnungswidrigkeitengesetzes von 1987 braucht der Hinweis nicht mehr – wie früher (BGHSt 26, 379) – dem Verteidiger förmlich zugestellt zu werden. Es genügt ein Hinweis an den Betroffenen (BayObLG NZV 1989, 161).
Rz. 13
Wird der Hinweis dem Betroffenen selbst zugestellt, ist der Verteidiger – wie bei allen an seinen Mandanten bewirkten Zustellungen – zu benachrichtigen. Eine eventuelle Verletzung der Benachrichtigungspflicht berührt jedoch die Wirksamkeit der Zustellung nicht. Freilich kann – was gängige Praxis ist – auch an den Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet (§ 145a Abs. 1 StPO), zugestellt werden.
III. Belehrung
Rz. 14
Das Gericht muss darüber belehren, dass im Falle einer zulässigen Beschlussentscheidung die Rechtsbeschwerde ausgeschlossen ist (BayObLG DAR 1981, 388).
Rz. 15
Tipp
Ist die in § 72 Abs. 1 S. 1 OWiG vorgeschriebene Belehrung nicht oder nur unvollständig, fehlerhaft oder irreführend erfolgt, ist in entsprechender Anwendung des § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 OWiG die Rechtsbeschwerde zulässig (OLG Düsseldorf DAR 1999, 129).
Rz. 16
Die Belehrungspflicht entfällt, wenn die Anregung zur Beschlussentscheidung von dem Betroffenen oder seinem Verteidiger ausgegangen ist (OLG Hamm NZV 1993, 324).
IV. Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen
Rz. 17
In dem Antrag auf Entbindung des Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen liegt noch kein Einverständnis des Betroffenen zum Beschlussverfahren (OLG Koblenz zfs 2005, 102).
V. Schweigen
1. Als Zustimmung
Rz. 18
Schweigt der Betroffene, kann das Gericht von seinem stillschweigenden Einverständnis ausgehen (BGHSt 24, 29). Eine Einverständniserklärung kann auch darin gesehen werden, dass der Verteidiger die Anfrage nur mit einem Ersuchen um Akteneinsicht beantwortet und dann die Akte ohne weitere Erklärung zurücksendet (OLG Karlsruhe NZV 1996, 211).
2. Auf erneute Anfrage
Rz. 19
Dagegen darf das Schweigen eines Betroffenen auf eine erneute Anfrage nicht als Zustimmung gedeutet werden, wenn er zuvor bereits widersprochen hatte (OLG Schleswig NZV 2005, 110; OLG Hamm zfs 2012, 232; OLG Hamm zfs 2013, 653).
VI. Widerspruch
1. Auslegungsfähige Erklärung
Rz. 20
Der Widerspruch muss nicht ausdrücklich erklärt werden. Es genügt, dass er als solcher erkennbar ist (OLG Hamm NZV 1994, 92). Allerdings stellt das im Einspruch gegen den Bußgeldbescheid enthaltene substanziierte Bestreiten noch keinen Widerspruch dar (BayObLG DAR 1997, 77). Dies ist indessen dann anders zu beurteilen, wenn der Betroffene eine ihm nachteilige Behauptung bestreitet (BayObLG NZV 1998, 80).
Rz. 21
Die Erklärung des Betroffenen ist in dem für ihn günstigsten Sinne (OLG Düsseldorf NZV 1995, 204) und unter Beachtung der Grundsätze des fairen Verfahrens (OLG Karlsruhe NStZ 1991, 191) auszulegen.
2. Zeitpunkt
Rz. 22
Der Widerspruch kann schon im Voraus wirksam erklärt werden (OLG Hamm zfs 2012, 232; OLG Hamm zfs 2013, 653), z.B. bereits im Einspruchsschreiben (BayObLG NZV 1994, 492; OLG Celle NZV 1998, 171) oder gar schon im Bestellungsschreiben (OLG Frankfurt VRS 48, 370).
3. Form
Rz. 23
Da der Widerspruch nicht formgebunden ist, kann er telefonisch erhoben werden (OLG Koblenz NStZ 1991, 191).
Rz. 24
Achtung: Zugangsnachweis
Den rechtzeitigen Zugang des Widerspruches bei Gericht muss der Betroffene nachweisen (BayObLG VRS 55, 53; KG VRS 42, 223). Es ist deshalb ratsam, einen Widerspruch nur schriftlich und per Zustellungsnachweis zu erheben. Ein Fax reicht gleichfalls aus.
VII. Bedingte Zustimmung
Rz. 25
Die Möglichkeit, die Zustimmung an die Einhaltung bestimmter Bedingungen zu knüpfen, macht das Verfahren für die Verteidigung überhaupt erst interessant. Denkbar und zulässig ist z.B., dass der Betroffene seine Zustimmung nur für den Fall erklärt, dass das Fahrverbot in Wegfall kommt (OLG Düsseldorf NJW 1990, 1059; OLG Hamburg NZV 2019, 104) oder eine bestimmte Kostenentscheidung ergeht (OLG Düsseldorf NZV 1993, 204).
Rz. 26
Per Beschluss darf das Gericht nur entscheiden, wenn es sich an die vom Betroffenen vorgegebenen Bedingungen hält, andernfalls muss es von der Einlegung eines Widerspruches ausgehen (OLG Karlsruhe zfs 2013, 292; OLG Hamburg NZV 2019, 104; OLG Brandenburg NZV 2019, 538).
Vorsichtshalber sollte der Betroffene mit der Zustimmung die von ihm erstrebte Rechtsfolge konkret bezeichnen (OLG Bamberg DAR 2016, 470).
VIII. Veränderte Beweislage
Rz. 27
Grundsätzlich bleibt das Beschlussverf...