Rz. 150
Wie bereits mehrfach erwähnt, ist das ENZ nicht der Nachfolger des deutschen Erbscheins. Vielmehr stehen die beiden Zertifikate nebeneinander. Für einen rein inländischen Nachlass wird es auch in Zukunft kein Bedürfnis für die Beantragung eines ENZ bestehen. Zugegebenermaßen ist der Anwendungsbereich des § 352c FamFG durch das in der EuErbVO kodifizierte Nachlasszeugnis in Cross-Border-Fragestellungen eingeschränkt worden, wenn die Erben aus dem Ausland kommen und der Erblasser im Ausland lebte. Diese Erben werden zukünftig die Nachlassabwicklung im Inland mit dem ENZ und nicht mehr, wie vor dem 17.8.2015 oftmals erforderlich, mit einem territorial beschränkten deutschen Erbschein arbeiten.
Rz. 151
Wurde oder wird ein sogenannter "Fremdrechtserbschein" erteilt, so ist neben den Erben und der oben erwähnten gegenständlichen Beschränkung auch das ausländische anzuwendende Erbrecht anzugeben. Fehlt diese Angabe, so ist der Erbschein als unrichtig einzuziehen. Strittig war die Frage, ob auch ausländische Erbinstitute im Erbschein mit aufzunehmen sind. Klassische Beispiele werden im Folgenden aufgeführt:
a) Noterbenrecht
Rz. 152
In den meisten südeuropäischen Ländern ist das Pflichtteilsrecht als echtes Noterbenrecht ausgestaltet. In einigen Ländern ist die testamentarische Verfügung gerichtlich durch eine Herabsetzungsklage zu kürzen (siehe Rdn 142). Ist eine solche Klage durchzuführen, so ist nach erfolgter gerichtlicher Herabsetzung der Noterbe im Erbschein als Erbe aufzuführen. Sie sind Erben und nicht bloße Nachlassgläubiger. Deshalb ist ein Erbschein unter Angaben der Noterben mit ihren Quoten zu erteilen. Ist die Klage noch nicht erhoben, aber noch möglich, so ist der Noterbe zwar nicht als Erbe im Erbschein aufzunehmen, jedoch ist zu vermerken, dass die Herabsetzungsklage noch möglich ist. Dies ist gleich einer Verfügungsbeschränkung einzutragen. Ist zur Durchsetzung des Noterbenrechts keine Herabsetzungsklage erforderlich, so ist nach Geltendmachung der enterbte Noterbe im Erbschein aufzuführen. Ist die Geltendmachung formlos möglich, so kann die Geltendmachung auch in der Beantragung eines Erbscheins liegen.
b) Nießbrauchsrecht des Ehegatten
Rz. 153
Das Ehegattennießbrauchsrecht ist im romanischen Rechtskreis noch verbreitet. Ob es in einem deutschen Erbschein als Verfügungsbeschränkung Erwähnung finden sollte, war lange Zeit umstritten. Wirkt es als Verfügungsbeschränkung und entsteht es unmittelbar mit dem Erbfall z.B. in Form eines Vindikationslegat (wie z.B. in Belgien), so soll es im Erbschein aufgeführt werden. Die Rechtsprechung lehnte die Aufnahme im Erbschein jedoch stets ab, da das deutsche Recht die Wirkung eines fremden Vindikationslegats nicht kennt. Hat der überlebende Ehegatte ein Wahlrecht zwischen einem Nießbrauchsrecht oder einer Miterbenstellung, so empfiehlt es sich, solange das Wahlrecht noch nicht ausgeübt wurde, dies im Erbschein entsprechend zu vermerken. Auch die Kubicka Entscheidung des EUGH (vgl. Rdn 110) führt zu keiner anderen Bewertung im Hinblick auf den Erbschein. Ein Nießbrauch ist eben gerade keine Erbenstellung. Wird also der Ausweis einen Nießbrauchsrechts mit dinglicher Wirkung benötigt, so ist auf das Europäische Nachlasszeugnis zurückzugreifen.
c) Legs Universel
Rz. 154
Stellt das Universalvermächtnis lediglich eine andere Einkleidung der Erbfolge dar, so besteht kein Grund, dies nicht im Erbschein aufzuführen. Er ist sodann als Erbe aufzuführen. Gleiches gilt, wenn durch Erbteilvermächtnisse der Nachlass insgesamt verteilt wird. Das Einzelvermächtnis mit rechtsübertragender Wirkung (Vindikationslegat) ist jedoch im Erbschein nicht zu erwähnen.
d) Testamentsvollstreckung nach ausländischem Recht
Rz. 155
Eine nach ausländischem Recht angeordnete Testamentsvollstreckung ist dann in den Erbschein aufzunehmen, wenn sie die Verwaltung des Nachlasses und die Geltendmachung der Rechte dem Testamentsvollstrecker ganz oder teilweise vorbehält. Eine Testamentsvollstreckung, welche den Erben in seiner Verfügungsmacht nicht beschränkt, also nur beaufsichtigenden Charakter hat, ist im Erbschein nicht mit aufzuführen.