a) Anknüpfung nach Art. 21 Abs. 1 EuErbVO (Allgemeine Kollisionsnorm)
Rz. 11
Aus deutscher Sicht (und aller ratifizierenden Vertragsstaaten der EuErbVO) wird gemäß Art. 21 Abs. 1 EuErbVO für die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen auf den letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes abgestellt (für Erbfälle vor dem 17.8.2015 gilt Art. 25 Abs. 1 EGBGB a.F. ab Rdn 57). Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist dabei einheitlich für das europäische Kollisionsrecht zu bilden und nicht etwa national anhand des Rechtsverständnisses eines jeden Vertragsstaates. Unter dem gewöhnlichen Aufenthalt versteht man den Daseinsmittelpunkt einer Person als Schwerpunkt seiner familiären, beruflichen und sozialen Beziehungen. Dieser Daseinsmittelpunkt wird nicht durch eine kurzfristige Abwesenheit, wie beispielsweise einem Urlaub, unterbrochen, solange nur der nach außen manifestierte Wille zur Rückkehr ersichtlich und erkennbar ist.
Rz. 12
Entscheidend zur Bestimmung ist also der tatsächliche Wille der Person. Anhaltspunkte, dass der Erblasser seinen Wohnsitz (dauerhaft) verlegen wollte, können also in seinem tatsächlichen Handeln, mithin seinem nach außen manifestierten Willen, liegen. So ist als Indiz beispielsweise das Anmieten oder der Erwerb einer Wohnung am "neuen" Ort zu sehen. Untauglich sind hingegen Auslandsaufenthalte, welche zeitlich begrenzt sind, gleich ob aus beruflichen oder aber privaten Gründen (Studienreisen, Weltreisen oder ausgedehnte Urlaube). Ebenfalls ausgeschlossen ist es, dass eine Person mehrere gewöhnliche Aufenthalte im Sinne der EuErbVO hat.
Rz. 13
Exkurs: Berufspendler
Der Fall, dass der Wohnort des Erblassers mit seinem Arbeitsort grenzübergreifend auseinanderfällt, ist in der EU nicht selten. Ballungsräume machen an Grenzen immer seltener halt, und nicht selten hat das Verbleiben des Wohnorts im Herkunftsland auch steuerliche oder familiäre Gründe. Dass Berufspendler also über Staatsgrenzen hinweg pendeln, ist inzwischen de facto in allen Grenzballungsgebieten die Regel ist (zum Beispiel: Saarbrücken/Lothringen/Luxemburg; Aachen/Belgien/Niederlande; Basel/Lörrach/Weil am Rhein). Diesem Umstand wurde in den Erwägungsgründen 24 S. 1–3 Rechnung getragen. Der Fall des Berufspendlers, zwischen zwei Staaten, wurde im Erwägungsgrund 24 S. 2 aufgegriffen. Aus Erwägungsgrund 24 S. 3 lässt sich hierzu entnehmen, dass in einem Fall, in welchem ein Arbeitnehmer täglich in ein anderes Land fährt, um zu arbeiten, seine familiären Beziehungen jedoch in seinem Herkunftsland hat, diese Vorrang bei der Bestimmung des Erbstatuts haben. Abzustellen sei insoweit auf familiäre und soziale Beziehungen und nicht auf den Arbeitsort. Etwas problematischer dürfte die Abgrenzung jedoch dann werden, wenn der Berufspendler die ganze Woche am Arbeitsort in einer zweiten Wohnung verbringt, nur noch am Wochenende nach Hause in sein Herkunftsland fährt und zudem an seinem Arbeitsort in einigem Umfang soziale Kontakte unterhält. Ob für diesen Fall dann noch streng auf den Wohnort der Familie abzustellen ist, sollte im Einzelfall abgegrenzt und bestimmt werden.
Rz. 14
Exkurs: diplomatischer Dienst
Diplomaten behalten regelmäßig ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Entsendestaat. Dies gilt auch dann, wenn der Diplomat an seinem ursprünglichen Wohnort im Inland (Entsendestaat) schon seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gewohnt hat. Unter Anwendung des Art. 21 Abs. 1 EuErbVO gelangt man damit zum letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Diplomaten im Entsendestaat.
b) Anknüpfung gemäß Art. 21 Abs. 2 EGBGB
Rz. 15
Neben der Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt gemäß Art. 21 Abs. 1 EGBGB sieht Art. 21 Abs. 2 EuErbVO die Anknüpfung an eine mögliche engere Verbindung einer Person zu einem anderen Staat als den des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes vor. Dabei ist unbedingt zu beachten, dass es sich hierbei um eine Ausweichklausel handelt, welche nur subsidiär anzuwenden ist. Zu unterstreichen ist dabei die Subsidiarität und die maßvolle, lediglich im Einzelfall gebotene Anwendung des Art. 21 Abs. 2 EGBGB. De facto stellt er nämlich eine Öffnungsklausel aus Art. 21 Abs. 1 EGBGB dar, welcher, freilich gut begründet und belegt, jedes andere Erbstatut möglich macht. Dies war und ist von keinem der Vertragsparteien der EuErbVO gewünscht und führt auch bei nicht restriktiver und subsidiärer Anwendung zu einer Beliebigkeit bei der Bestimmung des Erbstatuts. Richtigerweise wird Art. 21 Abs. 2 EuErbVO also lediglich als Instrument zur Lösung atypischer Einzelfälle angewandt und dient im Ergebnis nur der Wahrung von Stabilitätsinteressen des Erblassers trotz Verlagerung des gewöhnlichen Au...