Rz. 36
Unter Erbvertrag im Sinne der EuErbVO versteht man im weiten Sinne nicht nur Erbverträge im klassischen Sinne. Von Art. 25 EuErbVO mit umfasst sind ferner Erb- und Pflichtteilsverzichte, Schenkungen auf den Todesfall und auch Testamente mit wechselbezüglichen Verfügungen. Der Begriff Erbvertrag ist also unionsrechtlich gefasst und nicht auf das deutsche Rechtsverständnis reduziert. Was die Formgültigkeit sowie die materielle Wirksamkeit anbelangt, so wird in Art. 25 Abs. 2 EuErbVO auf das Recht verwiesen, in welchem der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung (hypothetisches Erbstatut) des Erbvertrages seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dabei ist zu unterstreichen, dass vom hypothetischen Erbstatut nicht nur die Formgültigkeit und materielle Wirksamkeit erfasst wird, sondern auch die Frage der Bindungswirkung. De facto bedeutet dies, dass auch die Erbstatute der am Vertrag beteiligten Personen unterschiedlich sein können. Maßgeblich sind aber freilich nur die hypothetischen Erbstatute derer, deren Nachlass in der Verfügung von Todes wegen berührt wird. Wie auch bei der Errichtung eines Testamentes haben die Errichter des Erbvertrages gemäß Art. 25 Abs. 3 EuErbVO die Möglichkeit eine Rechtswahl zugunsten des Rechts zu treffen, welches die Errichter gemäß Art. 22 EuErbVO (also die Staatsangehörigkeit) hätte wählen können.
Rz. 37
An dieser Stelle muss einmal mit der landauf, landab vernommenen Meinung aufgeräumt werden, jedermann innerhalb der Europäischen Union können nun einen Erbvertrag errichten. Dem ist mitnichten so. Ein Erbvertrag, welcher von einem Spanier (Ausnahmen in Foralrechten möglich) und einer Italienerin in Mailand errichtet wird, ist von Beginn an nichtig, da er dort nach wie vor und auch nach Einführung der EuErbVO sowohl aus Sicht des Codice Civile als auch aus Sicht des Codigo Civil gegen den ordre public verstößt. Die Erbrechte beider Länder gestatten die Errichtung eines Erbvertrages (pacta mortis causam) nicht. Etwas anderes gilt freilich, wenn diese beiden ihren gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Errichtung in Deutschland gehabt haben (Schutz des Vertrages durch das Errichtungsstatut). Fraglich ist dann jedoch, was in der Konsequenz geschieht, wenn sich zahlreiches Nachlassvermögen in Südeuropa befindet.
Rz. 38
Praxistipp
So sehr die Einführung des Erbvertrages (Art. 25 EuErbVO) auch gelobt wurde, so sehr ist in der Errichtung eines solchen bei grenzüberschreitenden Fragestellungen Vorsicht und Umsicht geboten. Mag der Erbvertrag prima Vista das Mittel der Wahl sein, so sollte er effektiv nur dann gebraucht werden, wenn vor der Errichtung alle Rechtsfolgen bis zu Ende durchdacht wurden. Dabei spielen Punkte wie die Staatsangehörigkeit der Errichter des Vertrages eine Rolle, die Belegenheit der Nachlassmassen, der Errichtungsort des Vertrages und letztlich auch die weitere Lebensplanung der Errichter des Erbvertrages. Auch muss die Möglichkeit einer Rechtswahl für jeden der möglichen Konstellationen überlegt und entschieden werden. Errichtet beispielsweise ein deutsches Ehepaar einen Erbvertrag in Deutschland, ohne eine Rechtswahl darin zu treffen, und verzieht später jedoch dauerhaft ins Südeuropäische Ausland, so ist der Erbvertrag ganz grundsätzlich zunächst einmal durch das Errichtungsstatut in seiner Wirksamkeit geschützt. Dass es dann in Ländern mit romanischen Rechtsbezug dennoch zu erheblichen Schwierigkeiten kommen kann, muss an dieser Stelle nicht noch sonderlich hervorgehoben werden. In der Praxis sollte also bei grenzüberschreitenden Vermögenszuschnitten immer zusätzlich mit einer Rechtswahl gearbeitet werden und mit entsprechender erweiterter Beratung an die Errichter des Vertrages. Auch sollte ein spezielles Augenmerk darauf gelegt werden, wie andere Vertragsländer der EuErbVO mit Begriffen wie Bindungswirkung und Verträgen von Todes wegen umgehen. Ob der Umstand, dass der Erbvertrag nunmehr in Art. 25 EuErbVO kodifiziert ist, hieran auf lange Sicht etwas ändern wird, bleibt im Ergebnis abzuwarten.