Rz. 45
Die Art. 36, 37 EuErbVO konkretisieren die erbrechtlichen Kollisionsnormen in Fällen, in welchen auf das Recht eines Staates verwiesen wird, in welchem mehrere Teilrechtsordnungen zur Anwendung gelangen. Denkbar sind dabei zwei Alternativen: Zum einen, dass in einen Staat verwiesen wird, welcher für unterschiedliche Regionen unterschiedliche Rechtsordnungen kennt; zum anderen Staaten, welche interpersonell zwischen Personen auf einem Gebiet unterscheiden. Häufigste Konstellation ist dabei die Religion einer Person in einem Land.
a) Interlokale Mehrrechtsstaaten nach Art. 36 EuErbVO
Rz. 46
Besitzt ein Staat mehrere Teilrechtsordnungen nebeneinander, so wird ganz grundsätzlich, insbesondere jedoch vorrangig gemäß Art. 36 Abs. 1 EuErbVO, das jeweils vorhandene interlokale Privatrecht angewandt zur Bestimmung der dann tatsächlich anwendbaren Rechtsordnung. Fehlt es an einem interlokalen Privatrecht, welches, versehen mit einem interlokalen Kollisionsrecht, eine konkrete Teilrechtsordnung benennt, so wird gemäß Art. 36 Abs. 2 EuErbVO wie folgt zur Bestimmung konkretisiert:
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Gewöhnlicher Aufenthalt gem. Art. 36 Abs. 2 lit. a EuErbVO |
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Ähnlich wie beim gewöhnlichen Aufenthalt gem. Art. 21 EuErbVO wird in der Konkretisierung nach Art. 36 EuErbVO vom letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers ausgegangen. |
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Staatsangehörigkeit gem. Art. 36 Abs. 2 lit. b EuErbVO |
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Der Begriff der Staatsangehörigkeit ist im nachfolgenden zu konkretisieren, da die EuErbVO bei dem Begriff der Staatsangehörigkeit stets vom Gesamtstaat ausgeht. Gemeint ist in Art. 36 EuErbVO jedoch die Gebietseinheit des Heimatstaates, zudem der Erblasser die engste Verbindung hatte. |
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Grundregel gem. Art. 36 Abs. 2 lit. c EuErbVO Die sogenannte Grundregel nach lit. c greift nur, wenn eine Bestimmung anhand von lit. a und b nicht möglich war. Danach sind die Anknüpfungsmomente der EuErbVO bei einer interlokalen Rechtsspaltung so zu verstehen, dass sie sich auf die jeweilige Teilrechtsordnung beziehen. |
b) Interpersonale Mehrrechtsstaaten nach Art. 37 EuErbVO
Rz. 47
Neben einer örtlichen Zuordnung mehrerer Rechtssysteme eines Landes (Foralrechtsstaaten) existieren in einigen Rechtsordnungen, insbesondere in Ländern mit muslimischen Rechtsordnungen, interpersonale Spaltungen, welche nicht selten zwischen den religiösen Prägungen der Personen unterscheiden. In solchen Fällen gilt gem. Art. 37 EuErbVO der Vorrang des Internationalen Privatrechts des jeweiligen Landes, und sofern kein Internationales Privatrecht in diesem Staat existiert, der bekannte Grundsatz der engsten Verbindung. Eine religiöse Rechtsspaltung existiert heute in den überwiegend islamischen Staaten Nordafrikas, des Nahen Ostens und Asien, ferner auch in Israel und Indien. Daneben existiert sie aber auch noch in Europa; in Griechenland für die thrakischen Griechen muslimischen Glaubens. Aus griechischer Sicht greift eine Sondererbfolge. Angeknüpft wird nicht an dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt, sondern auf die Religionszugehörigkeit des thrakischen Griechen.